Eine der Stärken des Eichsfelds ist der sanfte Tourismus. Radfahrer, Wanderer, Pilger, Biker und Busreisende trifft man häufig an den Ausflugsorten. Aber ein ganzer Trupp Reiter am Grenzlandmuseum lässt die anderen Besucher dann doch staunend stehenbleiben und Fotos schießen.
Auf dem Pferd ist das Reisen anders, und die Planung erfordert viel Zeit und Weitsicht. Sabine Zuckmantel ist Wanderrittmeisterin, ausgebildet an der DWA (Deutsche Wanderreiter-Akademie) und leitet einen Wanderreitbetrieb im Havelland. Zum Anlass des 30. Jahres nach der Grenzöffnung hat sie sich vorgenommen, eine 700-Kilometer-Tour entlang der Grünen Bandes anzubieten. Und das führt eben auch durch das Eichsfeld.
„Die Planungen haben ein Jahr gedauert“, sagt die Organisatorin, die ihren Gästen auf dem langen Ritt auch einige Annehmlichkeiten bieten möchte. Die Wege sollten durch schöne Landschaften führen, wenig Verkehr haben, für Pferde gut zu laufen sein und ein paar Attraktionen bieten. Außerdem mussten die Streckenlängen so geplant werden, dass Mensch und Tier nicht überfordert würden. Zur Übernachtung wurden Hotels und Pensionen gebucht. Und auch die Pferde mussten irgendwo untergebracht und versorgt werden. Das alles hat Sabine Zuckmantel mit ihrem Team schon vorab geplant. Und im 30. Jahr der Grenzöffnung solllte ein Ritt am Grünen Band auch ein bisschen Geschichtsbewusstsein fördern. Vier Wochen dauerte die Tour vom thüringischen Mödlareuth bis ins Eichsfeld. Der zweite Teil des Grünen Bandes wird im nächsten Jahr abgeritten – vom Harz bis an die Ostsee, wieder rund 700 Kilometer.
Mira Keune, Leiterin des Grenzlandmuseums Eichsfeld, bat den Hausmeister, hinter dem Mühlenturm Platz für 15 Pferde zu schaffen. Allerdings wurde der Tag dann doch heißer als erwartet, und so wurde die Pause etwas oberhalb am Teistunger Radweg eingelegt, wo die Pferde unter den Bäumen im Schatten dösen konnten. Pause heißt für die Organisatoren: 15 Pferde und drei Hunde mit Wasser und Futter versorgen, Tische und Stühle aus dem Anhänger des Begleit-Autos auspacken, Gemüse schnippeln – die Chefin bereitet das Essen selbst zu – und die lange Tafel im Grünen decken. Die übrigen Reiter konnten sich derweil im Grenzlandmuseum bei einer Führung mit Mira Keune über die Geschichte der deutschen Teilung, insbesondere des geteilten Eichsfelds, informieren. Grenzanlagen, Alltagsleben an der Grenze und historische Hintergründe wurden anschaulich erklärt und konnten später beim Ritt über den Grenzlandweg noch einmal bildlich erfasst werden.
Über Zulauf bei den Wanderritten muss sich die Rittmeisterin keine Sorgen machen, obwohl so ein Urlaub mit Komplettversorgung nicht als Billigpauschalreise zu haben ist. Die langwierige Planung, die Versorgung, Gesundheit und Fitness der Pferde muss im Preis mit eingerechnet werden. Aber die Teilnehmer wissen, was sie wollen. „Das würde viel zu lange dauern, wenn ich mir so eine Tour selbst organisieren müsste. Hier wurde schon an alles gedacht, die Routen wurden ausgearbeitet, das Gepäck wird im Auto transportiert und man kommt abends zu einer bequemen Unterkunft“, lobt Teilnehmer Ludwig, der mit seinem Shire Horse „Obama“ unterwegs ist, den Service. Außerdem würden die Pferde gut versorgt werden mit drei Portionen Kraftfutter am Tag. Auf sehr steilen Wegen gehen die Reiter auch mal zu Fuß. Sanfter Tourismus mit Entschleunigung liegt voll im Trend.
Reisen zu Pferd heißt Zeit haben. Pro Tag werden höchstens 20 bis 30 Kilometer geritten, bei anstrengenden Streckenabschnitten auch weniger. Das schafft man mit dem Auto in einer halben Stunde. Beim Wanderreiten geht es aber nicht um das schnelle Ankommen, hier ist wirklich der Weg das Ziel. Die ReiterInnen sind sich einig: Das Vergessen der Zeit, des Alltags, die Kontakte unterwegs, die Ruhe in der Natur und manchmal auch der Genuss des Schweigens – all das macht die Faszination des Wanderreitens aus. Dass man so gut abschalten kann, sei vor allem dem Pferd zu verdanken, erklären die Wanderreiter: Dem feinfühligen Tier muss man Beachtung schenken, da bleibt kein Platz für Stress und Alltagssorgen.
„Wir legen jede Woche einen Pausentag ein, wo wir dann Zeit haben, uns etwas anzusehen“, sagte Sabine Zuckmantel. Und in der letzten Wanderritt-Woche sollte der Pausentag eben im Eichsfeld sein. Nach dem gemeinsamen Mittagsmahl unter freiem Himmel ging es über die Außenanlagen des Museums den Grenzlandweg hinauf zum Wachturm, dann rund um den Pferdeberg und über Immingerode nach Nesselröden. Dort ist der Reitverein St. Georg Gastgeber für die Wanderpferde, und die Reiter kommen im Landgasthaus unter. Am Ruhetag ist eine Stadtführung in Duderstadt geplant – diesmal ohne Pferde. Sabine Zuckmantel schmunzelt. „Wir haben die Schnitzeljagd für Kinder gewählt. Wir wollten mal etwas anderes ausprobieren und selbst aktiv werden, um eine Stadt kennenzulernen“, erzählt die Rittmeisterin.
Nach dem Pausentag geht es auf zur letzten Etappe in diesem Jahr, nach Brochthausen. Dort werden die Pferde dann mit dem Lkw abgeholt, und die Heimreise der Reiter, die aus allen Himmelsrichtungen kommen, wird mit dem Auto organisiert.
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