Wallfahrtsorte sind besondere Ziele einer Wanderung oder Reise. Manchmal sind es die Legenden oder Reliquien, die Menschen anlocken, oft aber ist es der Ort selbst, dem eine außergewöhnliche Kraft innezuwohnen scheint, oder wo Bäumen eine bedeutende Rolle zukommt. Die bekanntesten Wallfahrtsorte im Eichsfeld sind nicht nur für gläubige Katholiken interessant, sondern für alle Menschen, die sich selbst ein wenig „erden“ möchten.
Im Frühjahr startet im Eichsfeld die Wallfahrt-Saison, und zwar mit Segnungen für verschiedene Daseins- und Lebenslagen: Es gibt Frauen-, Männer-, Kinder-, Rentner- und Familienwallfahrten, Pferde-, Fahrrad- und Motorradwallfahrten sowie Wallfahrten zu Ehren bestimmter Heiliger. Doch auch Menschen, die sich von keiner der Themen-, Religions-, Geschlechter- oder Familienstandszuordnungen angesprochen fühlen, können zu diesen Orten kommen, die besondere Atmosphäre genießen oder der Geschichte der „heiligen Haine“ auf den Grund gehen. Die reicht oft in die Zeit vor der Christianisierung zurück, worauf manche Ortsnamen oder Legenden noch vage Hinweise geben. Nachweisliche Daten existieren meistens nur durch archäologische Funde oder nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes in christlicher Zeit.
Sehr oft sind es auch die weiblichen Kräfte, zu denen die Pilger*innen einen besonderen Bezug haben, und die in Maria oder anderen weiblichen Heiligen verehrt werden. In allen Weltreligionen werden Pilgerfahrten zu außergewöhnlichen Orten unternommen, um dort Kraft zu schöpfen, oder um Hilfe in Notlagen zu erbitten – oder es werden die Strapazen einer Wanderung zu einer heiligen Stätte auf sich genommen, um für ein Vergehen zu büßen.
Im Eichsfeld gibt es fast 30 katholische Wallfahrten pro Jahr. Ein paar der schönsten Orte, bei denen sich auch schon der Weg dorthin lohnt, möchten wir hier vorstellen.
Hülfensberg
Auf dem 448 m hohen Hülfensberg bei Geismar soll einst die Donareiche, das Heiligtum der Germanen, gestanden haben, die Erzbischof Bonifatius im Zuge seines Missionsauftrages fällen ließ. So erzählt es zumindest die Legende. Es gibt allerdings einige historische Hinweise, dass der Berg auch in vorchristlicher Zeit als Religionsstätte genutzt wurde. Über 400 Jahre, von 1357 bis 1810, waren dann die Zisterzienserinnen aus dem Kloster Anrode Herrinnen des Berges. 1860 gründeten die Franziskaner auf dem Hülfensberg eine klösterliche Niederlassung, die sogar während der deutschen Teilung mit einem Glaubensbruder besetzt war.
40 Jahre lang lag die Wallfahrtstätte im Sperrgebiet der DDR; nur wenigen Menschen wurde eine Sondergenehmigung erteilt, um auf den Berg zu kommen. Nach der Grenzöffnung 1989 wurden die Wallfahrten wieder aufgenommen, und noch heute leben dort drei Brüder des Franziskanerordens, die u.a. die Wallfahrten leiten und Seelsorge leisten. Der Förderkreis Hülfensberg hat im Mai 2021 die Broschüre „Der Hülfensberg im Eichsfeld“ über die Geschichte und Gegenwart der bedeutendsten Wallfahrtsstätte im Bistum Erfurt herausgegeben, verfasst vom Heiligenstädter Historiker Dr. Torsten W. Müller, wo ausführliches Hintergrundwissen vermittelt wird.
So geht er in seinem Werk auch auf die Legende ein, dass es sich bei dem Kruzifix aus dem 13. Jahrhundert mit dem sanft lächelnden Erlöser doch um St. Wilgefortis, die „Heilige Hilfe“, handeln solle, der ein Bart wuchs, weil sie gegen ihren Willen vermählt werden sollte.
Um zum Hülfensberg hinauf zu wandern, bietet sich der malerische alte Kreuzweg an, der an der Bebendorfer Straße in Geismar beginnt. Die Strecke ist zwar nur 1,5 km lang, aber führt recht steil hinauf durch einen alten Hohlweg im Wald, vorbei an der kleinen Quelle Hülfensborn.
Oben angekommen, bietet sich ein weiter Blick am Konrad-Martin-Kreuz nach Norden. Auch in südliche Richtung gibt es einen malerischen Aussichtspunkt mit Picknickbank. Alte Bäume mit ausschweifenden Kronen schützen vor Sonne, Wind und Regen. Eine weitgehend naturbelassene Pflanzenvielfalt, felsige Klippen und eine harmonisch in die Natur eingefügte Anordnung von Gebäuden, Sitzgelegenheiten, alten Mauern und Pfaden, geben dem Wallfahrtsort eine friedliche, und doch kraftvolle Atmosphäre.
Eingebunden zwischen Himmel und Erde ist oben auf dem Hülfensberg eine große Wertschätzung der Schöpfung spürbar, die ja zum einen der Lebensweise der Franziskaner entspricht, andererseits aber auch an der besonderen Ausstrahlung dieses Ortes liegt.
Mehr Infos zu den Wallfahrten und zur Geschichte des Hülfensberges HIER
Klüschen Hagis
Das Klüschen Hagis zwischen Wachstedt und Martinfeld wurde als kleine Waldkirche 1585 unterhalb der Burg Gleichenstein errichtet und im 18. Jahrhundert neu gestaltet. Hier gibt es die Legende von einem Marienbild, das am Klüschenborn, an der Quelle ganz in der Nähe des heutigen Wallfahrtortes, aufgetaucht sein soll. Vor dem Kirchenbau soll hier eine Eremitenklause gestanden haben, wovon sich auch der Name Klus/Klüs-chen – Klause des Hagen – ableitet.
Sitzbänke stehen für die Gottesdienstbesucher vor einer Wiese bereit. Die Kapelle liegt zwar nahe der K230, die man aber auf dem Hügel kaum bemerkt. Zu DDR-Zeiten wurde das Klüschen Hagis „Ersatzort“ für die Männerwallfahrt auf dem Hülfensberg. Der war wegen seiner Lage im DDR-Sperrgebiet für die meisten Menschen nicht mehr zugänglich.
Infos zu Gottesdiensten und Wallfahrten am Klüschen Hagis HIER
Höherberg
Der Höherberg liegt im Untereichsfeld zwischen Bilshausen, Bodensee, Gieboldehausen, Krebeck und Wollbrandshausen. Als 1850 die Cholera im Eichsfeld grassierte, gelobte der Wollbrandshäuser Pfarrer August Vocke beim Abklingen der Seuche den Bau einer Kapelle zu Ehren der Vierzehn Heiligen Nothelfer. 1856 wurde die Wallfahrtskapelle auf dem Höherberg fertiggestellt.
Von der 242 m hohen Anhöhe hat man einen Panoramablick über die Goldene Mark, das Ohmgebirge, den Göttinger Wald, den Harz – und den Windpark in unmittelbarer Nähe. Trotzdem ist der Wallfahrtsort auch ein beliebtes Ausflugsziel mit einer besonderen Atmosphäre unter schattenspendenden Laubbäumen und einigen naturbelassenen Holzbänken zum Ausruhen.
Die Wallfahrtskapelle der Vierzehn Heiligen Nothelfer ist aus verschiedenen Richtungen, z.B. über die Kreuzwege von Wollbrandshausen und Bodensee zu erreichen. Die Lichterprozession am 15. August zum Fest „Maria Aufnahme in den Himmel“, und am letzten Sonntag im September die „Pferdewallfahrt“, zählen zu den beeindruckendsten Wallfahrten auf dem Höherberg.
Infos zu den Höherberg-Wallfahrten HIER
Etzelsbach
Der wohl berühmteste Wallfahrtsort im Eichsfeld ist sicherlich Etzelsbach, seit Papst Benedikt XVI. im September 2011 hier eine Marienvesper mit 90.000 Gläubigen feierte. Um diese Großveranstaltung logistisch zu bewältigen, wurden Zufahrtswege asphaltiert, es entstanden Parkplätze und ein Informationszentrum für Pilger, das ein bisschen den Charme eines Supermarktes hat.
Maria spielt auch an diesem Wallfahrtsort die bedeutende Rolle. Die Legende erzählt, dass Pferde bei der Feldarbeit stehengeblieben seien, und der Bauer dann an dieser Stelle die hölzerne Pieta gefunden habe, die heute noch in der Kapelle angebetet wird. Die steinerne Wallfahrtskapelle wurde 1801 erbaut, da die Vorgängerkirche aus dem 17. Jahrhundert baufällig geworden war. Es gibt Hinweise, dass hier schon im 15. Jahrhundert eine Marienkapelle gestanden hat. Zu den bedeutendsten Wallfahrten in Etzelsbach gehört die Pferdewallfahrt am 2. Sonntag im Juli.
Infos zum Wallfahrtsort Etzelsbach HIER
Germershausen
Die Wallfahrtskirche Mariä Verkündigung ist das Herzstück des kleinen Ortes Germershausen in der Nähe des Seeburger Sees. Schriftliche Nachweise über eine Wallfahrt gibt es seit 1678, aber höchstwahrscheinlich fanden auch vorher schon Wallfahrten nach Germershausen statt. Der Legende nach wurde das Gnadenbild „Maria in der Wiese“ (datiert um 1450) zufällig von einem Schäfer an diesem Ort gefunden. Es wurde eine Marienkapelle gebaut, die viele Pilger anzog. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde eine neue Kirche aus Stein errichtet, in der auch heute noch das Gnadenbild steht.
Ab 1864 hat der Augustinerorden ein Kloster am Wallfahrtsort Germershausen geführt und die Wallfahrten organisiert. 2019 wurde das Kloster wegen Nachwuchsmangel geschlossen, und eine Gruppe von Ehrenamtlichen hat die Organisation der Wallfahrten übernommen.
1850 wurde ein Kreuzweg rund um die Kirche errichtet, und seit 1928 werden die großen Gottesdienste vor der Kirche am Freialtar gefeiert. Neben den klassischen Wallfahrten gibt es seit einigen Jahren auch eine Fahrrad- und eine Motorradwallfahrt, die Hobby und Glauben der Pilger verbinden sollen. Direkt an der zum Teil von Bäumen überschatteten Wallfahrtswiese gibt es ein Restaurant mit Außengastronomie und Parkplätzen.
Infos zum Wallfahrtsort „Maria in der Wiese“ in Germershausen HIER
Infos des HVE Eichsfeld Touristik e.V. zu den Wallfahrten im Eichsfeld HIER
Unter der Rubrik Termine bei Clanys Eichsfeld-Blog sind in der linken Spalte zahlreiche aktuelle Programme, Spielpläne etc. zu finden, darunter auch die aktuellen Infos zu Wallfahrten im Unter- und Obereichsfeld.
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