Mit einer guten Idee, engagierten Leuten und einem effektiven Netzwerk lässt sich auch in kurzer Zeit erstaunlich viel bewegen. Rund um Mingerode ist ein Streuobstwanderweg entstanden, der nicht nur wunderschön ist, sondern auch richtig viel zu bieten hat. Schon kurz nach der offiziellen Eröffnung Anfang Mai 2021 lockt der 8 km lange Rundweg zahlreiche Besucher.
Angefangen hat die Geschichte eigentlich schon 1955, als Familie Haase aus Mingerode ein Stück unterhalb der Sulbergwarte eine Obstwiese anlegte. Das war damals gegen den Trend der Zeit. In den 1950-er Jahren begann man schon mit der Abholzung der Obstbäume, die im Eichsfeld eine jahrundertealte Geschichte haben. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war man dann der Ansicht, es würde sich nicht mehr lohnen, Obst selbst anzubauen, zu ernten und zu verarbeiten. Die heute fast 70 Jahre alten Bäume der Familie Haase stehen noch in der „Kirschwiese“, die der Mingeröder Hans-Georg Schwedhelm vor einiger Zeit übernahm und an den Streuobst e.V. Göttingen verpachtete.
„Ich dachte, da müsste man doch mehr machen“, sagte sich Hans-Georg Schwedhelm und fand auch schnell weitere Mitstreiter für ein neues Projekt, das sowohl touristischen als auch nachhaltigen Ansprüchen gerecht wird. Ulrich Scheidel vom Landschaftspflegeverband Göttingen und Wanderwegewart Bernd Köhler gehören zu denen, die ihre Erfahrungen in ihrem jeweiligen Fachgebiet mit einbringen konnten. Plan war, Mingerode und Duderstadt über einen Streuobstwanderweg zu verbinden. Dabei sollten die Wanderer die Möglichkeit erhalten, sich über die biologische Vielfalt der Streuobstwiesen zu informieren, historische Hintergründe zum Obstanbau in der Region kennenzulernen, Wissenswertes über alte Sorten und Veredelung zu erfahren – oder einfach die wunderschöne Landschaft zu genießen. Zur Erntezeit können dann unterwegs Kirschen, Äpfel, Birnen und Pflaumen genascht werden.
Es gibt zwei offizielle Startpunkte für den Rundweg, in der Lindenallee in Mingerode oder am Weinberg in Duderstadt, wo auch Flyer mit einer Wanderkarte bereitgestellt werden. Aber man findet sich auch als „Quereinsteiger“ gut zurecht. „Man muss nur den Schildern mit dem roten Apfel folgen“, sagt Bernd Köhler. Besondere Aussichtspunkte auf der Strecke sind die Sulbergwarte und die Kirschwiese der Familie Haase.
Im Rundweg integriert ist auch die Streuobstallee mit dem Lehrpfad des NABU Untereichsfeld, der hier schon Nachpflanzungen von Bäumen vorgenommen hat und sich im Januar 2021 am Ausschneiden der Altbäume gemeinsam mit dem Ortsrat Mingerode und dem Landschaftspflegverband finanziell beteiligt hat. Die Streuobstallee gehört ebenso wie der Hohlweg nahe der Sulbergwarte zur alten Handelsstraße von Duderstadt über Mingerode bis zur Hanse im Norden.
Richtung Duderstadt kommen die Wanderer am Weinberg vorbei, wo im Mittelalter tatsächlich Wein angebaut wurde. Nach dem 30-jährigen Krieg und einer einhergehenden Klimaveränderung wurden hier vermehrt Obstbäume angepflanzt. Einige hochstämmige Bäume mit alten Obstsorten stehen heute noch am Weinberg.
Informationen gibt es reichlich entlang des Weges: Historische Bilder vermitteln einen Eindruck von der Bedeutung der Streuobstwiesen in früheren Zeiten, Schautafeln zeigen die Artenvielfalt in diesem besonderen Biotop, und es gibt praktische Ratschläge zum Obstanbau und zur Baumveredelung. An vielen Stationen ist ein QR-Code angebracht, wo man weiterführende Texte abfragen kann. Wer die Augen offen hält, entdeckt auch einige Tiere in den Nistkästen für Vögel, Fledermäuse und Insekten.
Diverse Sitzgelegenheiten und Picknickstationen (zum Teil überdacht) laden zum Verweilen ein. Mingeröder Landwirte kümmern sich außerdem um die Zugänglichkeit der Wanderwege.
Wer diese ausführlich recherchierten Inhalte zum Streuobst und seiner Geschichte lieber in Ruhe zu Hause lesen möchte, kann die 50-seitige Broschüre „Streuobstwanderweg Duderstadt – Mingerode“ mit zahlreichen historischen Bildern in den Duderstädter Buchhandlungen Mecke und Seseke, in der Landschlachterei in Mingerode oder im Buchladen „Rote Straße“ in Göttingen für 7,50 Euro erwerben. Autoren sind Hans-Georg Schwedhelm mit Beiträgen zur Historie, Dirk Schwedhelm mit Infos zur Honigbiene und Ulrich Scheidel. Letzterer hat u.a. die Obstsorten bestimmt und beschreibt sie in dem Heft. „Im Eichsfeld sind zum Beispiel noch rund 80 alte Kirschsorten erhalten, aber die findet man heute nicht mehr so einfach“, erklärt der Obst-Experte. In der Mitte des Heftes ist eine Landkarte mit der Wanderwegführung und einer Legende mit den interessantesten Punkten enthalten.
Der Steuobstwanderweg soll einladen zum Spazierengehen, zum Spaß haben und er soll Botschaften vermitteln, sind sich die Initiatoren einig. Mit der Kooperation haben sie zudem bewiesen, dass mit einem gut funktionierenden Netzwerk vieles zu erreichen ist. Nur ein dreiviertel Jahr hat es von der Idee bis zur Fertigstellung gedauert.
Unser Fazit nach einem Testlauf:
In dieser Idee liegt viel Potenzial für eine fortwirkende Entwicklung aus der Kombination sanfter Tourismus, Nachhaltigkeit, Aufklärung, Verbindung verschiedener Fachbereiche und positive Außenwirkung. Da ließe sich weiterdenken. In der Region haben wir Experten für Vogelschutz, Natur- und Artenschutz, Umweltbildung, gesunde Ernährungsweise, nachhaltige Landwirtschaft, Kunst und Kreativität und regionale Geschichte. Mit einem effektiven Netzwerk ließe sich sogar eine Vorzeige-Region für die Koppelung von Umweltschutz, Bildung und Tourismus ausbauen. Also gerne mehr davon!
Der Streuobstwanderweg ist dank einer tatkräftigen und finanziellen Unterstützung zahlreicher Ehrenamtlicher und der Bingo-Umweltstiftung entstanden.
Flyer mit Karte zum Download HIER
Mehr Infos zu den Warten in der Region HIER
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