Mitte August wird es wieder etwas ruhiger auf den Feldern. Die Getreideernte ist vorbei. Noch vor kurzem hörte man das Dröhnen der gigantischen Mähdrescher bis tief in die Nacht. Wie im Science-Fiction-Film strahlten die weißen Lampen der rollenden Erntefabriken in der Dunkelheit: vorn wurde das Getreide geschnitten, und hinten prasselte die gedroschene Frucht gleich auf den Anhänger. Immer mehr Getreide für eine stetig wachsende Bevölkerung wird von immer weniger Landwirten und Feldarbeitern mit immer größeren Maschinen geerntet.
So wie sich die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten zunehmend industrialisiert hat, verliert der Verbraucher den Bezug zu dem, was die Erde so hergibt. In Deutschland landen pro Jahr rund 1,7 Millionen Tonnen Backwaren im Müll, was einer Ernte von fast 400.000 Hektar Ackerland entspreche, so die Zahlen der Umweltstiftung WWF.
Die Älteren im Eichsfeld erzählen noch, wie viel Arbeit und Geduld es kostete, dem Boden Nahrung abzuringen – trotz Unwetter, Dürre, Schädlingen oder Kriegen, die auch die Felder zerstörten. Auch die Kinder mussten früher mit ran und arbeiteten in der sommerlichen Hitze bis zur Erschöpfung. Jeder Halm wurde per Hand geschnitten, die Frucht mühsam ausgedroschen und das Stroh für das Vieh in der Scheune aufgeschichtet.
Wer bei dieser körperlichen Arbeit spürt, was Nahrung wert ist, empfindet sicherlich große Dankbarkeit, wenn die Ernte üppig ausfällt und die Familie über den Winter genügend zu Essen hat. Erntedankfeste wurden schon in vorchristlicher Zeit gefeiert, und die Kirche hat diesen Brauch dann übernommen.
Brot spielt in allen Kulturen und Religionen der Welt eine bedeutende Rolle. Daran erinnert auf informative Weise das Europäische Brotmuseum in Ebergötzen. Brote aus diversen Epochen und Ländern kann man hier sehen. Allein die fantasiereichen Formen des Backwerks lassen ahnen, zu welchen Zwecken oder Anlässen es hergestellt wurde: kleine handliche Gebäcke für unterwegs, doppelt gebackene als haltbarer Imbiss auf längeren Reisen, dünne Fladen zum Einrollen anderer Speisen oder aufwendig gestaltete Blumenkuppeln als Hochzeitsbrote sind nur eine kleine Auswahl.
Auch der Weg des Brotes, der kulturhistorische sowie der vom Korn zum Brot, wird im Museum anschaulich dargestellt. Auf dem Außengelände werden die Besucher vom historischen Getreidegarten, vorbei an Öfen aus der Steinzeit, der Römerzeit und dem Barock, bis zur Remise mit alten Landwirtschaftsgeräten und Fahrzeugen geleitet. Eine Wassermühle und eine Bockwindmühle zeigen „moderne Technik“ von 1600 bis 1800. Und wer dann Appetit auf Gebäck bekommt, kann im angrenzenden Café eine „Auszeit“ nehmen.
Wem bewusst ist, woher unser Essen kommt, welche Arbeit dahinter steckt und was das Klima damit zu tun hat, ist vielleicht auch bereit, umzudenken. Muss man ein zwei Tage altes Brot wegwerfen? Muss die Verkaufstheke beim Bäcker auch bei Ladenschluss noch gefüllt sein? Muss ich mehr einkaufen, als ich essen kann?
Heute finden die Erntedankfeiern fast nur noch in der Kirche statt, meist Anfang Oktober. Früher, als die ganze Dorfgemeinschaft auf den Feldern mitgeholfen hat, wurde auch auf den Höfen mit allen gemeinsam Erntedank gefeiert. Ein paar wenige Ausnahmen gibt es allerdings noch im Eichsfeld.
In manchen Dörfern helfen die Pferdehalter bei der Heu- und Strohernte mit. Geerntet wird, solange es warm und trocken ist, die Arbeit ist also immer schweißtreibend. Umso schöner, wenn dann später alle zusammenkommen, essen, trinken, reden, feiern – und es zu schätzen wissen, dass für den nächsten Winter alles „im Trockenen“ ist.
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