Wer heutzutage nachts in Duderstadt unterwegs ist, kann nicht verloren gehen. Straßenlaternen und beleuchtete Geschäfte machen die Orientierung einfach. Aber wie war das ohne elektrisches Licht, etwa im Jahr 1721? Wer traute sich bei Dunkelheit überhaupt hinaus? Darüber weiß Magdalena Kannengießer, die Frau des Nachtwächters, auf ihrer Zeitreise ins barocke Duderstadt einiges zu erzählen.
Im Jahr 1721 war es für Frauen eigentlich undenkbar, als Nachtwächterin durch die finsteren Gassen zu wandern. „Aber was soll ich machen? Mein Mann, der Jakob, liegt hustend im Bett. Und wir brauchen jeden Groschen“, erklärt die resolute Magdalena, die im heutigen Leben Veronika Kahlmeyer heißt und als Stadtführerin nun die nächtlichen Touren anbietet.
Vor den Zeiten der elektrischen Straßenbeleuchtung und des Notrufs lauerten nachts viele Gefahren in der engen Bebauung der Städte. Es wurde mit offenem Feuer gekocht, Ziege und Pferd wurden am Haus gehalten und mit Heu gefüttert. Viele Dächer waren mit Stroh gedeckt, die Brandgefahr war dementsprechend groß. Der Nachtwächter musste also eine vertrauenswürdige Person sein, die nicht etwa nach dem Genuss des Duderstädter Bieres irgendwo heimlich den Rausch ausschlief. „Wenn die ehrbaren Bürger ihre Herdfeuer gelöscht hatten und zu Bett gingen, musste der Nachtwächter die städtische Ruhe und Ordnung wahren“, erklärt Magdalena Kannengießer. Dazu gehörte es auch, Raufbolde und Ganoven unter Kontrolle zu bringen und notfalls einzusperren.
Mit ihrer Körpergröße kann Magdalena zwar keinen Dieb in die Flucht schlagen, und die Hellebarde des kränkelnden Gatten mitzunehmen, wäre dann wohl doch etwas viel Emanzipation im 18. Jahrhundert. „Aber ich habe das Horn dabei und kann Alarm geben, wenn Gefahren drohen“, sagt die Frau des Nachtwächters.
Auf ihren Touren gibt die redselige Gattin auch einen Einblick in ihr Privatleben und somit in das Alltagsleben um 1721 in Duderstadt. Worum sorgten sich die einfachen Leute, was kochten sie? „Kartoffelsuppe zum Abendessen gibt es noch nicht“, erklärt die Zeitreisende. Kartoffeln wurden im Eichsfeld erst ab 1730 angebaut. Zudem weiß Magdalena Kannengießer einiges zu den Duderstädter Sehenswürdigkeiten zu berichten und kontrolliert unterwegs auch gleich die eine oder andere Haustür, ob sie denn vorschriftsmäßig verschlossen sei.
Die etwa eineinhalbstündigen Nachtwächter-Touren finden an jedem ersten Freitag im Monat bei Einbruch der Dunkelheit statt, im Winter also etwas früher als im Hochsommer (Preis: 6 Euro pro Person). Termine für Gruppen sind auf Anfrage auch an anderen Tagen zu buchen. Treffpunkt ist jeweils am historischen Rathaus in Duderstadt. Die erste Tour mit Magdalena Kannengießer wird am Freitag, 1. April 2022, angeboten.
Anmeldungen sind bis spätestens 12 Uhr am Veranstaltungstag möglich in der Duderstädter Gästeinformation, Telefon 05527 841200.
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