Die Hüter des städtischen Gedächtnisses: Sandra Kästner löst Hans-Reinhard Fricke als Duderstädter Stadtarchivarin ab

Die Duderstädter Stadtverwaltung hat ein sichtbares Gedächtnis – das Stadtarchiv in der Christian-Blank-Straße. Der Hüter des Gedächtnisses ist der Stadtarchivar Hans-Reinhard Fricke, aber nur noch bis zu seinem Ruhestand zum Jahresende 2021. Abgelöst wird er von der Kunsthistorikerin Sandra Kästner.

Als Hans-Reinhard Fricke 2015 die Leitung des Duderstädter Stadtarchivs von seinem Vorgänger Dieter Wagner übernahm, war ihm die Arbeit längst vertraut. Schon seit 1986 war der Historiker als Honorarkraft an verschiedenen Projekten des Stadtarchivs und daraus resultierenden Publikationen beteiligt. Dazu gehören, in enger Zusammenarbeit mit dem früheren Stadtarchivar Dr. Hans-Heinrich Ebeling, das mehr als 500 Seiten umfassende Werk „Duderstadt 1929-1949“, das Pilotprojekt zur Digitalisierung von Archivbeständen in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut 1996-99 und im Jahr 2008 das Duderstädter Häuserbuch.

 

Die älteste erhaltene Urkunde von 1266 im Stadtarchiv: Bruno von Berlingerode wird die Todesstrafe erlassen gegen das Versprechen, in den Deutschen Orden einzutreten.

 

Rund 800 Urkunden, die älteste von 1266, ca. 7000 städtische Rechnungsbücher fast lückenlos seit 1397, rund 500 Bauzeichnungen und Risse, etwa 800 Karten vom 17. Jahrhundert bis 1990, rund 50.000 Fotos, eine Bibliothek mit ca. 3500 Bänden, unzählige Akten, Ratsprotokolle, Bürgerbücher, Flur- und Lagerbücher, Bild- und Schriftmaterial aus Nachlässen, Unterlagen aus Institutionen und Zeitungssammlungen ab 1815 gehören zu den Schätzen im Stadtarchiv, das seit Beginn der mittelalterlichen Stadtverwaltung im Duderstädter Rathaus untergebracht war. „Dort in den Gewölben des Rathauses herrschte ein gutes Raumklima und die alten Pergamente blieben in guter Qualität erhalten“, erklärt Hans-Reinhard Fricke.

 

Das Duderstädter Stadtarchiv in der Christian-Blank-Straße 1

 

1983 wurde das Stadtarchiv ausquartiert und befindet sich seitdem in der ehemaligen evangelischen Volksschule (Baujahr 1909) in der Christian-Blank-Straße. Die ausgetretenen Steinstufen geben eine Vorstellung von all den tobenden und schwatzenden Kindern, die nach der Pause wieder in den Unterricht stürmten. Heute herrscht in dem Gebäude eine erhabene Stille und in den einstigen Klassenräumen türmen sich Bücher, Folianten und graue Pappkartons in den Regalen bis an die Decke. Mit Hydrometern wird die Luftfeuchtigkeit gemessen, damit die kostbaren Schriftstücke bei optimalem Raumklima auch für die weiteren Jahrhunderte erhalten bleiben.

 

In der ehemaligen evangelischen Volksschule von 1909 ist heute das Stadtarchiv untergebracht

 

Ein Hydrometer an den Regalen misst die Luftfeuchtigkeit

 

Um sich hier zurechtzufinden, wurden Findbücher angelegt, in denen die Inhalte des Stadtarchivs aufgelistet und mit einer Nummer versehen sind. Allerdings war die Aktenmenge einer mittelalterlichen Verwaltung noch relativ gering. Heute türmen sich die Aktenberge dank einer viel höheren Einwohnerdichte, zahlreicher Bestimmungen und Anträge vom Wohngeld bis zur Genehmigung für Neubauten.

„Der Archivar muss aufgrund seiner Kenntnisse entscheiden, welche Akten stadtrechtlich oder historisch relevant sind, um sie zu bewahren. In den letzten 100 Jahren haben sich die Papierakten dermaßen vervielfacht, dass es nicht möglich und auch nicht nötig ist, alles aufzuheben“, erklärt Hans-Reinhard Fricke. Allerdings: Was nicht bewahrt wird, ist auch irgendwann aus dem städtischen Gedächtnis verschwunden. Historische Kenntnisse seien für eine weitblickende Einschätzung eine hilfreiche Voraussetzung.

Damit ist Sandra Kästner eine Idealbesetzung für diesen Posten. Als Kunsthistorikerin leitet sie außerdem das (zurzeit wegen anstehender Sanierung geschlossene) Duderstädter Heimatmuseum, das mit seinen Exponaten von archäologischen Fundstücken, Handwerksgeräten, (Kirchen-)Kunst, Alltagsgegenständen und vielem mehr ebenfalls Duderstädter Stadtgeschichte bewahrt. „Manchmal geben die Schriftstücke im Stadtarchiv hilfreiche Erklärungen und Ergänzungen zu Exponaten im Heimatmuseum“, sagt Sandra Kästner. Sie kann die alten Schriften entziffern, und ihr ist auch der fachlich korrekte Umgang mit historischen Akten und Pergamenten vertraut.

 

Das Entziffern von alten Schriftstücken und der fachgerechte Umgang mit historischen Pergamenten gehören zu den Kenntnissen der Stadtarchivare

 

Die Schriftstücke werden mindestens 10 Jahre in der Stadtverwaltung aufbewahrt, bevor sie archiviert, also sortiert, eingeordnet, katalogisiert und verwahrt werden – und zwar so, dass auch nachfolgende Generationen etwas wiederfinden können. Eine weitere Herausforderung ist heutzutage die Digitalisierung. Einerseits ermöglicht z.B. das seit 2017 im Duderstädter Stadtarchiv genutzte Informationssystem Arcinsys eine Online-Recherche – andererseits befindet sich die digitale Technik in einem rasanten Wandel. So müssen digitalisierte Inhalte ständig angepasst werden, um mit moderner Technik auch in 20 Jahren noch aufrufbar zu sein. Sicherheitshalber wird im Stadtarchiv ein „PC-Dinosaurier“ aus den 1990-er Jahren funktionstüchtig gehalten, um auch ältere Disketten noch lesen zu können.

 

Mit dem „PC-Dinosaurier“ lassen sich auch noch Disketten lesen. Dahinter sieht man ein Fotostativ zum Ablichten von Büchern und Schriftstücken.

 

Das Duderstädter Stadtarchiv zählt zu den am besten erhaltenen Archiven in Niedersachsen, und das ist reine Glücksache, bzw. auch der Sturheit der Duderstädter zu verdanken. 1940 wurde angeordnet, die Archivbestände kleinerer Städte ins Preußische Staatsarchiv nach Hannover zu schicken. Die Duderstädter ließen sich Zeit bei der Umsetzung der Anordnung. 1943 wurde das Staatsarchiv Hannover bei Bombenangriffen zu großen Teilen zerstört. Davon betroffen waren auch die mittelalterlichen Quellen Hann. Mündens, die bereits dort untergebracht waren. Die Duderstädter hatten ihr Archiv 1943 glücklicherweise noch nicht hergegeben. „Was in Hannover im Krieg nicht zerstört wurde, fiel dem Leinehochwasser 1946 zum Opfer“, sagt Hans-Reinhard Fricke. Duderstadts Bausubstanz inklusive Rathaus, wo sich damals noch das Archiv befand, blieb vom Zweiten Weltkrieg ebenso verschont, wie zuvor schon von allen anderen großen Kriegen.

 

Uralte Bücher und Schriften konnten im Duderstädter Stadtarchiv bewahrt werden

 

Sandra Kästner wird bis zum Jahresende 2021 von ihrem Vorgänger eingearbeitet und will das Stadtarchiv dann weiterhin für die Zukunft fit machen. Auch das Büro des Heimatmuseums ist nun in der oberen Etage des Stadtarchivs untergebracht. „Das macht meine Arbeit vom Umbau unabhängig“, sagt die Kunsthistorikerin. Über Weiterbildungsmaßnahmen möchte sie neueste Kenntnisse zur Archivarbeit in die Bewahrung, Katalogisierung und Einordnung der zum Teil jahrhundertealten sowie modernen Schriften einfließen lassen.

 

Auch das neue Büro des Heimatmuseums befindet sich nun im Stadtarchiv. Sandra Kästner leitet beide Institutionen.

 

Der Eingang zum Stadtarchiv liegt in der Kunnegasse

 

Die Öffnungszeiten, Telefonnummer etc. des Stadtarchivs sind auf der Webseite der Stadt Duderstadt aktuell abzufragen: https://www.duderstadt.de/portal/seiten/stadtarchiv-900000134-25420.html

Seit 2017 ist eine Online-Recherche im Duderstädter Stadtarachiv über das Archivinformationssystem Arcinsys möglich: https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/list.action?nodeid=g105&page=1&sorting=43&reload=true

 

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