Ausflugstipp: Auf dem Stahlross zu den mittelalterlichen Knicks und Warten – geführte Fahrradtour mit dem Knickmeister

Bei einer Fahrradtour in einer Gruppe verbindet sich vieles: Fitness und Naturerlebnis, neue Eindrücke und Geselligkeit, und manchmal sogar Vergangenheit und Gegenwart. Letzteres vor allem, wenn man sich mit dem Duderstädter Knickmeister Borchard Borchardes in die Zeit um 1540 begibt und unterwegs auf dem Stahlross einiges über die mittelalterliche Stadtverteidigung erfährt.

 

Knickmeister Borchard Borchardes alias Stadtführer Bernd Köhler erwartet die Gäste zur geführten Radtour

 

Treffpunkt unserer Tour ist dort, wo alle Duderstädter Stadtführungen beginnen: vor dem historischen Rathaus. Die Stahlrösser sind nur leicht bepackt mit Wasserflaschen und vielleicht einem kleinen Imbiss. Das Regencape kann bei strahlend blauem Himmel zu Hause bleiben. Wer die geführte Erlebnisradtour gebucht hat, muss zuvor in der Gästeinformation seine Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten, schriftlich unterzeichnen: Es gilt Helmpflicht, man hat die Straßenverkehrsordnung zu beachten und übernimmt selbst Verantwortung für die eigene Kondition und Gesundheit. Eigentlich klingt das alles selbstverständlich, aber es spiegelt wohl auch die Erfahrung mit weniger einsichtigen Leuten wider. Kein Gästeführer möchte z.B. gern die Verantwortung für einen alkohollastigen Junggesellenabschied, Selbstüberschätzung oder erhöhte Risikobereitschaft der Mitfahrenden übernehmen.

Knickmeister Borchard Borchardes heißt im 21. Jahrhundert Bernd Köhler und ist ausgebildeter Stadtführer, der sich vor allem dem Thema der historischen Stadtbefestigung widmet. Vor rund 500 Jahren war die Aufgabe des Knickmeisters, das Landwehrsystem in Ordnung zu halten. Die Duderstädter Kernstadt war durch die Stadtmauer und den Wall geschützt. Rund um die Feldmark und die Dörfer verliefen die Knicks, Gräben und Wälle, die mit dornigen Hecken wie Schlehen, Rot- und Weißdorn bepflanzt waren.

 

 

Grafik: “Die Duderstädter Knicks und Warten”, Christoph Lerch, 1975

 

„Die Zweige dieser Hecken wurden etwa alle zwei Jahre umgeknickt und miteinander verflochten, sodass eine undurchdringbare natürliche Einfriedung entstand“, erfahren wir vom Knickmeister. Die Knicks hatten gleich mehrere Vorteile: das grasende Vieh in der Feldmark konnte nicht in fremdes Territorium verschwinden, niemand konnte unkontrolliert in die Stadt gelangen, und es wurde eine erste Schutzzone noch weit vor dem eigentlichen Stadtwall und der Stadtmauer gebildet. Die Warten (Wachtürme) standen in Sichtkontakt zueinander entlang der Knicks sowie zum Türmer, der im Westturm der St.-Cyriakus-Kirche wachte. Sollte Gefahr drohen, konnten die Wärter rechtzeitig Alarm geben. Außerdem versperrte ein Schlagbaum an den Warten die damals viel befahrenen Handelsstraßen ins reiche Duderstadt, wo Händler und Reisende kontrolliert wurden, bevor ihnen die Weiterfahrt mit Ochsen- und Pferdekarren gewährt wurde.
(Mehr zu den Duderstädter Handelsstraßen bei: Wege ändern sich mit den Zielen).

 

Erste Station ist der Westerturm

 

Da Warten auf den höchsten Punkten in der Umgebung standen und einige auch heute noch stehen, führt die Fahrradtour bergauf und bergab. Ein E-Bike ist praktisch, aber Bernd Köhler gleicht das Tempo so an, dass auch Mitfahrer ohne Hilfsmotor bei entsprechender Kondition gut mithalten können. Außerdem sind an den besonderen Stationen unserer Tour kurze Verschnaufpausen vorgesehen, wo es dann wieder anschauliche Infos zur Landwehr, aber auch zur allgemeinen Stadtgeschichte gibt.

 

Am Sulberg führten im Mittelalter wichtige Handelswege entlang. Heute ist davon noch der Hohlweg nach Mingerode übrig.

 

Die Rundtour führt uns am Schützenmuseum vorbei durch das Westertor, ein Stück am Wall entlang und durch den Paradiesgarten hinauf zur Sulbergwarte, wo auch noch ein längerer Knick vorhanden ist und gepflegt wird. Neuerdings steht hier eine Sitzraufe, die wir gleich für eine Pause mit Turmbesichtigung einweihen.
„Da man unterhalb der Warte mittelalterliche Ziegelreste fand, wurde Ende der 1990-er Jahre wieder ein Ziegeldach auf den ansonsten gut erhaltenen Warteturm gesetzt“, erfahren wir vom Knickmeister. Die Turmwärter mussten allerdings über eine außen stehende Leiter in die Turmstube klettern. Aus Sicherheitsgründen war die Tür im zweiten Stock angebracht. Der heutige ebenerdige Eingang wurde nachträglich eingebaut.

 

Eine neue Sitzraufe lädt an der Sulbergwarte zur Rast ein

 

Auf der Aussichtsplattform der Sulbergwarte bläst der Knickmeister das Hornsignal

 

Weiter geht es über den Euzenberg und Pferdeberg, wo einst Warten standen und der Ausblick ebenfalls sehenswert ist. Der Beobachtungsturm am Grenzlandweg und der schräg gegenüberliegende Pferdebergturm sind dagegen Zeitzeugen aus dem 20. Jahrhundert, wo sich die Grenzsoldaten der DDR und der westdeutsche Bundesgrenzschutz gegenseitig im Blick behielten.

 

Von der Pferdebergwarte ist heute nur noch der Grundriss zu finden

 

Da zu einem Landwehrsystem auch gut ausgebildete Schützen gehörten, die bei Angriffen die Stadt verteidigen konnten, führt die letzte Etappe der Radtour über den Duderstädter Schützenplatz. Die Duderstädter Schützengesellschaft wurde 1302 von Bogenschützen gegründet. Ab 1400 gab es die ersten Feuergeschütze. Geübt wurde auf der Talwiese, wo sich heute noch der Schützenplatz befindet.

Vom Schützenplatz sind es nur wenige Minuten bis zum Ausgangs- und Zielpunkt der Tour, dem Duderstädter Rathaus. Auch hier empfiehlt sich noch eine Besichtigungsrunde durch die modernen Ausstellungsräume im alten Bauwerk, am besten sogar gleich als Kombination mit dem Schützenmuseum am Westerturm. Multimedial wird dargestellt, worauf sich der einstige Reichtum der Stadt begründete, und wie sich die Stadtverteidigung und das Schützenwesen entwickelten.

 

Rathaus Duderstadt Ausstellungsbereich
Ausstellungsbereich im Duderstädter Rathaus

 

Die beiden Mitfahrer Martin Herrmann und Ralf Stieber geben ein positives Feedback zur Tour. Beide sind geschichtlich interessiert, hatten schon Vorwissen zur Eichsfelder Geschichte und nutzten die Radtour für ergänzende Eindrücke. „Was wir hier erfahren, ist Kulturgeschichte. Es ist wichtig, das zu bewahren“, so das Fazit von Ralf Stieber.
Aber auch Menschen ohne Vorwissen können hier viel Spannendes lernen und haben bei den informativen Pausen ausreichend Gelegenheit nachzufragen. „Die Touren werden immer der Gruppe entsprechend angepasst“, erklärt Bernd Köhler. Der Vorteil beim Erkunden der Stadtgeschichte auf dem Fahrrad ist vor allem der größere Radius im Vergleich zu einer fußläufigen Rundtour und natürlich die tollen Ausblicke.

Mehr Infos zu den Warten rund um Duderstadt:
Auf den Spuren der Megedebergwarte
– Ausflug mit Weitblick: Wartenwanderungen

 

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