Wandern im Eichsfeld: Der Grenzlandweg zwischen Niedersachsen und Thüringen

In diesem Jahr fällt der Jahrestag der Grenzöffnung genau in den Lockdown. Dementsprechend wurden auch alle Veranstaltungen zum 9. November 2020 gecancelt. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich zu diesem Anlass mit der jüngeren deutschen Geschichte zu beschäftigen, und zwar ganz Corona-konform: auf einer Wanderung auf dem Grenzlandweg zwischen Niedersachsen und Thüringen.

 

Blick von der niedersächsichen Seite des Pferdebergs nach Thüringen

 

Entlang des etwa 6 Kilometer langen Rundweges geben 24 Stelen mit Infotafeln Spannendes, Sehenswertes, Trauriges und Hoffnungsvolles rund um die Geschichte der innerdeutschen Teilung preis, die auch das Oberreichsfeld vom Untereichsfeld trennte.

 

Mit der Kraftfahrzeugschnellsperre nahm man auch mögliche Tote und Verletzte an der Grenze in Kauf

 

Start ist an der Stele mit dem klobigen Namen „Kraftfahrzeugschnellsperre“ an der Bundesstraße B 247. Per Knopfdruck konnte dieses elf Meter lange und sechs Tonnen schwere Ungetüm innerhalb von drei Sekunden die Straße versperren – falls jemand auf die Idee kam, mit einem Fahrzeug unerlaubt die DDR zu verlassen. Dass solche mörderischen Vorrichtungen schließlich doch nichts gegen den Freiheitsdrang der DDR-Bürger ausrichten konnten, zeigt das braune Schild gleich hinter der Kraftfahrzeugschnellsperre:
„Hier waren Deutschland und Europa bis zum 10. November 1989 um 0.35 Uhr geteilt“, steht dort geschrieben. Um exakt 0.35 Uhr wurde als Folge der friedlichen Revolution auch der Grenzübergang Duderstadt-Worbis geöffnet. Ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, kam es zur deutschen Wiedervereinigung.

Der Grenzlandweg führt nun entlang des ehemaligen Kolonnenweges, vorbei am Mahnmal zu Gedenken der Todesopfer an der Grenze und über die Hahlebrücke, die 1968 von den DDR-Grenztruppen errichtet wurde, um auch mit schweren Fahrzeugen die Grenze kontrollieren zu können.

 

Die Stele an der Hahletalbrücke informiert über deren Geschichte

 

Etwas steil geht es auf dem Kolonnenweg hinauf zum Beobachtungsturm, wo die Führungsstelle Pferdeberg untergebracht war. Zuvor sieht man noch den 2,40 Meter hohen „Grenzsicherheitssignalzaun“, der bei Berührung sofort Alarm auslöste, und den eigentlichen Grenzzaun aus 3,20 Meter hohen verzinkten Metallgitterplatten. Auch der gepflügte Kontrollstreifen, auf dem man sofort Fußabdrücke oder Reifenspuren von Fluchtwilligen entdecken konnte, gehört zu den Grenzanlagen. Die Hundelaufanlage ist eine Rekonstruktion. In solchen umzäunten Anlagen verbrachten die Wachhunde ihr ganzes Leben an einer Laufleine und wurden nur einmal am Tag mit Futter und Wasser versorgt.

 

Beobachtungsbunker und dahinter die Hundelaufanlage am Grenzlandweg

 

Am Beobachtungsturm führt der Weg über die Grenze – heute nur noch die zwischen Thüringen und Niedersachsen. Der Pferdeberg wurde auch zu DDR-Zeiten als Naherholungsgebiet der Duderstädter genutzt.

 

Heute ist es einfach, am Beobachtungsturm die Grenze zwischen Niedersachsen und Thüringen zu passieren. Der Grenzlandweg mit seinen Befestigungsanlagen gehört zum Grenzlandmuseum Eichsfeld.

 

Aber auch der Bundesgrenzschutz (BGS) patrouillierte hier. Im Jahr 1964 wurde die Lage an der Grenze auf dem Pferdeberg brenzlig. DDR-Soldaten schlugen neue Grenzpfähle in den Boden, um den innerdeutschen Grenzverlauf zu korrigieren. Die DDR-Regierung begründete diese Maßnahme mit dem Verlauf der Demarkationslinie entlang der ehemaligen Provinzgrenze zwischen Hannover und Preußen. Die BGS-Beamten zogen die Pfähle wieder heraus und warfen sie wieder auf die DDR-Seite. Die Bundesregierung berief sich auf die von den Alliierten gezogene Verwaltungsgrenze. Bei einer Veränderung des Verlaufs hätten die Alliierten zustimmen müssen, so die Argumentation. Von Seiten der Sowjetunion hielt man sich jedoch bedeckt, und so gab die DDR-Regierung schließlich die eigenmächtige Korrektur des Grenzverlaufs auf.

 

1964 kam es auf dem Pferdeberg zum Konflikt zwischen DDR-Grenztruppen und dem BGS

 

Der Grenzlandweg führt nun entlang des bewaldeten Höhenwegs über den Pferdeberg und gibt auch den Blick über den Verlauf er ehemaligen Grenze bis zum Lindenberg frei. Ein kurzes Stück hinter dem Gasthaus „Schöne Aussichten“ steht der hölzerne Pferdebergturm, der zu DDR-Zeiten auch vom BGS genutzt wurde, um die andere Seite im Auge zu behalten.

 

Der hölzerne Pferdebergturm wurde auch vom BGS als Aussichtsplattform genutzt

 

Etwas unterhalb des Turms befindet sich der Nachbau einer kleine Schutzhütte des bundesdeutschen Zolls mit einem Unterstand für den mitgeführten Zollhund. Die Zollbeamten gingen gewöhnlich zu Fuß auf Streife.

 

Die Zollhütte auf niedersächsischer Seite diente den Beamten auf Streife als Wetterschutz

 

Der Weg führt nun im Wechsel zwischen Wiesen und Wald hinab ins Mühlental, wo unter anderem noch eine originale DDR-Grenzsäule zu sehen ist. Im Tal angekommen geht es wieder zur B 247 Richtung Gerblingerode.

 

Auch am Weg im niedersächsischen Mühlental gibt es Infos zur deutschen und Eichsfelder Grenzgeschichte

 

Dort erinnern ein Bushäuschen vor dem ehemaligen Grenzübergang und der große Hahletalparkplatz an den Kleinen Grenzverkehr. Ab 1973 war es zumindest den Bundesbürgern erlaubt, mit einem zuvor beantragten Visum in die DDR zu reisen und ihre Angehörigen zu besuchen. Das Grenzabfertigungsgebäude auf bundesdeutscher Seite diente vor allem dazu, die Pässe der Reisenden zu kontrollieren und über die Besonderheiten bei der Einreise in die DDR zu informieren. Besetzt war es mit jeweils vier BGS-Beamten und vier Zollbeamten. Auf der DDR-Seite waren bis zu 50 Personen, Grenztruppen und Stasi-Mitarbeiter, damit beschäftigt, die Reisenden gründlich zu kontrollieren.

Noch einmal passiert der Grenzlandweg die Grenze zwischen den Bundesländern. Die Stele 23 steht wieder in Thüringen und erinnert an den 1976 bei einem Fluchtversuch von zwei Splitterminen getöteten André Rößler. Ein Kreuz wurde an der Stelle errichtet, wo der damals 19-Jährige seinen Verletzungen erlag. Heute verläuft dort das Grüne Band, ein geschützter Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen.

 

Hier starb André Rößler 1976 bei seinem Fluchtversuch aus der DDR

 

Die letzte Station des Grenzlandweges ist das ehemalige Zisterzienserkloster Teistungenburg, wovon heute jedoch nur noch das einstige Stallgebäude, die Klostermauern und das Einfahrtstor übrig sind. Die barocke Kirche und die übrigen Gebäude ließen die DDR-Behörden in den 1960-er und 70-er Jahren sprengen, um Flüchtlingen keine Versteckmöglichkeiten zu bieten. Heute befinden sich hier ein Hotelkomplex und eine Veranstaltungshalle.

 

Teistungenburg ist heute ein Hotelkomplex mit Veranstaltungshalle

 

Von Teistungenburg kommt man auf dem befestigten Weg direkt zur B 247 und zum Grenzlandmuseum Eichsfeld am ehemaligen Grenzübergang Duderstadt-Worbis. Hier lohnt sich ebenfalls ein Besuch, allerdings ist das Museum während des Corona-Lockdowns geschlossen.

 

Blick von Teistungenburg ins thüringische Eichsfeld

 

 

Grenzlandweg-Plan:

Den Plan gibt es als Download auf der Webseite des Grenzlandmuseums Eichsfeld

 

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