Nordöstlich von Duderstadt plätschert eine Quelle, deren Name in die Irre leiten könnte. Die Leeren Quelle ist nämlich keineswegs leer, sondern speist ein paar Teiche und fließt als kleiner Bach, vereint mit der Sulbig, bis Duderstadt. Im Frühling blüht an den Wegen alles weiß: Kirschen, Schlehen, Weißdorn und Buschwindröschen. Da bietet sich eine kleine Wanderung zum ca. vier Kilometer entfernten Gut Herbigshagen an.
Verlaufen kann man sich kaum, wenn man am Duderstädter Ebertring in die Leerensche Rinne einbiegt. Der gepflasterte Weg führt nach den letzten Häusern in eine Feldlandschaft. Es ließe sich also auch gut mit dem Fahrrad fahren. Schon nach etwa einem Kilometer sprudelt links die Leeren Quelle aus der Sandsteineinfassung von 1802. Davor liegt ein schmaler Forellenteich, ein Stück tiefer ein kleiner naturbelassener Teich, den die Schüler*innen der Heinz-Sielmann-Realschule 2002 angelegt haben.
Einige Meter weiter haben die Schüler*innen der St.-Ursula-Schule den „Zwergenwald“ im Leeren schon vielfach für Exkursionen genutzt, um natürliche Lebensräume zu erforschen. Ein paar Infotafeln geben Einblicke in die Flora und Fauna.
Der Name Leeren ist aus der Bezeichnung Lern oder Lerne entstanden. Schon um 1200 wird Lerne als landwirtschaftliches Gut erwähnt, das damals noch zum Kloster in Pöhlde gehörte und belehnt wurde. Auch die Leeren Quelle ist als „Lerborn“ historisch belegt. Um Ackerbau zu betreiben, musste Wald gerodet werden. Dadurch kam es in dem hügeligen Gelände zur Erosion, und der Boden wurde nach Niederschlägen in kleinen Rinnen abgespült, die sich im laufe der Zeit immer mehr vertieften. So entstanden hier die Kerbtäler (Tilken) wie das Sulbigtal und die seitlich angrenzenden Tilken am Rimpersgraben und im Hüschengrund. An den steileren Bachläufen wächst der Wald, das flachere Gelände dahinter wird als Ackerland und Viehweide genutzt.
Im Mittelalter speiste das Wasser aus den Bächen des Sulbigtals den Duderstädter Wallgraben. „Durch einen Kanal unter dem Wall gelangte es einerseits zum Pferdeteich, und andererseits zum Liebfrauenteich, dessen Überlauf die Gossen der Jüdenstraße reinigte“, erklärt Kurt Porkert 2016 in der Eichsfelder Heimatzeitschrift.
Vor allem seit dem 18. Jahrhundert wurden rund um Duderstadt, also auch an den Südhängen zwischen Sulberg und Gut Herbigshagen, Obstbäume angepflanzt. 1850 gab es mehr als 2600 Apfel- und Birnbäume, fast 800 Zwetschgenbäume, über 120 Kirschbäume und rund 100 Walnussbäume auf stadteigenem Gelände. Jeweils zur Erntezeit wurden die Bäume versteigert. In den 1950-er Jahren verringerten sich die Einnahmen bei den Versteigerungen allerdings so stark, dass ein Großteil der Obstbaumbestände 1958 abgeholzt wurde. Im Leeren wurden Fichten und Erlen gepflanzt. Vor allem die Fichten haben jedoch die trockenen Sommer der vergangenen Jahre nicht überlebt.
Folgt man dem Bachlauf durch das Kerbtal entlang der Sulbig, gelangt man nach ca. 2,5 km nach Gut Herbigshagen. Hier werden die Streuobstwiesen rund um die Franz-von-Assisi-Kapelle gepflegt und als wertvolles Biotop von der Heinz-Sielmann-Stiftung erhalten. Angepflanzt wurden alte, heimische Sorten, und es werden auch Kurse und Informationsveranstaltungen zu Obstanbau, Obstbaumschnitt und Obstverarbeitung angeboten. Im Frühling lässt sich aber vor allem das erste Gesumme der Bienen und Hummeln in den duftenden Blüten genießen.
Am 30. April 2021 wird zum ersten Mal der internationale Tag der Streuobstwiese begangen. Seit diesem Jahr wird der Streuobstanbau in Deutschland als immaterielles UNESCO-Kulturerbe gewürdigt. Bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten finden auf Streuobstwiesen ihren Lebensraum.
In Zeiten außerhalb der Pandemie gibt es Kaffee und selbst gebackenen Kuchen im Café Auszeit auf Gut Herbigshagen. Mehr Infos zu den Ausstellungsbereichen der Heinz-Sielmann-Stiftung HIER.
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