„35 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ – Joachim Gauck besucht das Grenzlandmuseum Eichsfeld

„35 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ wird 2025 im Grenzlandmuseum Eichsfeld mit verschiedenen Aktionen und Angeboten gefeiert. Zum Auftakt gab es einen großen Festakt im Victor’s Residenz-Hotel Teistungenburg. Als Festredner betrat Bundespräsident a.D. Joachim Gauck die Bühne und beeindruckte mit einer tiefgründigen und emotionalen Rede über die Anfänge der Einheit, aber auch über die Furcht vor Wandel und die Aufgaben der Demokratie.

Zunächst begrüßte der Vorsitzende des Grenzlandmuseums Eichsfeld e.V. Horst Dornieden die zahlreich erschienenen geladenen Gäste aus Politik auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, Unterstützer und Zeitzeugen, Netzwerk-Partner aus der Region und darüber hinaus, Schülerinnen und Schüler.

 

Horst Dornieden begüßt die zahlreichen Gäste

 

Volles Haus zum Festakt

 

Der Thüringer Landtagspräsident Dr. Thadäus König erinnerte an die Vorteile für die Region durch die Deutsche Einheit: „Das Eichsfeld ist vom Rand eines untergehenden Staates in die Mitte Deutschlands gerückt und mit Wohlstand gesegnet.“ Und er mahnte mit Blick auf die Friedliche Revolution 1989 sowie auf die Eichsfelder Kofferdemo 1990 gegen das zu der Zeit noch bestehende SED-Regime: „Heute wissen wir, was die Kraft der Menschen bewirken kann. Aber uns wurde auch ein Auftrag hinterlassen, nämlich Mut zu haben, sich einzumischen, die Stimme zu erheben, wenn die Demokratie missbraucht wird!“

 

Dr. Thadäus König

 

Das Land Niedersachsen wurde vertreten durch den Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium Marco Hartrich. Er sprach sich dafür aus, die Stätten zu erhalten, die an die Zeit der Diktatur und die deutsche Geschichte erinnern, Austausch anregen und Verbindungen schaffen. Und er versprach auch vom Land Niedersachsen weitere Unterstützung für das Grenzlandmuseum Eichsfeld, das am historischen Ort des ehemaligen Grenzübergangs Duderstadt-Worbis liegt und dessen Stationen auf dem Grenzlandweg sich auch über die niedersächsische Seite erstrecken.

 

Marco Hartrich

 

Nach dem Besuch des Grenzlandmuseums erfüllte Joachim Gauck als Festredner zum Thema „35 Jahre Friedliche Revolution“ zugleich die Rolle als Zeitzeuge. Er wurde 1990 bei den ersten freien Wahlen in der DDR Abgeordneter der Volkskammer und setzte sich für den Erhalt der Stasi-Unterlagen als Nachweis für erlittenes Unrecht tausender Bürgerinnen und Bürger ein. „Freiheit ist nicht selbstverständlich, Einheit schon gar nicht“, sagte er in seiner Rede als Höhepunkt der Veranstaltung auf Teistungenburg. In Mecklenburg aufgewachsen, erinnerte sich der heute 85-Jährige deutlich an die Zeit der Unterdrückung in der DDR, an das plötzliche Verschwinden seines Vaters, der von der Stasi verschleppt und in ein sibirisches Arbeitslager gebracht wurde, und an die ewige Angst.

 

Joachim Gauck im Gespräch mit Jugendlichen auf dem Podium

 

Er erzählte auch von seiner Erkenntnis als Jugendlicher, dass es doch mehr Andersdenkende in der DDR gab. Die fand er vor allem im Umfeld der evangelischen Kirche. „Die Demokratie wächst von unten, und dann erwacht die Kraft von vielen“, sagte er, mahnte aber, dass Freiheit auch Verantwortung bedeute. Verantwortung sei mit Mühe und Eigeninitiative verbunden, und diese Anstrengungen würden manche eben lieber vermeiden. „Es ist viel schöner zu meckern als zu machen“, verglich er und ergänzte, dass auch Angst vor dem eigenen Versagen die Eigeninitiative ausbremsen könne.
Die Menschen, die 1989 in der DDR für ihre Freiheit auf die Straße gingen, hätten es geschafft, ihre Angst um die eigene Sicherheit zu überwinden und in Mut umzuwandeln. „Heute leben wir in einer Gesellschaft, wo zwar noch viel verändert werden muss, aber schon so viele Früchte zu ernten sind“, sagte Joachim Gauck und nannte freie Rede, freie Wahlen und freie Rechtsprechung als Beispiele. Er empfahl, sich für die Demokratie als Raum vorhandener Möglichkeiten – trotz mancher Mängel – einzusetzen und diese zu verteidigen: „In einem Land, das die Sicherheit mehr liebt als die Freiheit, brauchen wir mehr Aktive!“

 

Podiumsdiskussion unter der Moderation von Mira Keune

 

In einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern des Duderstädter Eichsfeld-Gymnasiums und des Worbiser Marie-Curie-Gymnasiums, moderiert von der Leiterin des Grenzlandmuseums Mira Keune, wurde Joachim Gauck gefragt, ob das unterschiedliche Wahlverhalten in den neuen und alten Bundesländern ihm Sorge bereite. Er bejahte diese Frage und erläuterte: „Nicht alle Demokratiefeinde sind Nazis. Demokratiefeinde sollten wir fragen: Willst Du leben wie unter Putin? Oder wie unter Orban? Und wir sollten an die persönliche Verantwortung erinnern. Nazis muss man allerdings als Nazis bekämpfen.“ Er verwies aber auch darauf, dass der extreme Rechtsruck kein Ost-Problem sei, sondern ein Problem der politischen Moderne. Skandinavien, die Schweiz und die Niederlande nannte er als Beispiele, wo Rechtspopulismus durch ein entschiedenes Regieren im Zaum gehalten werde.

Für Deutschlands Zukunft wünschte er sich, die Erfahrungen der Friedlichen Revolution mehr zu nutzen und nicht den Ängsten zu folgen.

 

Wolfgang Nolte

 

Zum Abschluss dankte der zweite Vorsitzende des Trägervereins Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V. Wolfgang Nolte allen Beteiligten, Unterstützern und Weggefährten. Den musikalischen Rahmen bildete das Kammerstreichorchester Eichsfelder Musikschule aus dem Landkreis Eichsfeld mit Stücken von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Alfred Schnittke. Die jüngste Solistin war die neunjährige Mathilda Peter am Cello, als Violinistin war Sona Greßler im Solo zu hören, begleitet von der Pianistin Olessya Koberstein.

 

Sona Greßler (Violine) und Olessya Koberstein (Piano)

 

Das Grenzlandmuseum wurde im November 1995 eröffnet und blickt seitdem auf eine 30-jährige Erfolgsgeschichte als Ort der Erinnerung, des Gedenkens, der Aufarbeitung, aber auch der historischen und politischen Bildung. In Veranstaltungen, Vorträgen, Workshops, Zeitzeugengesprächen und Schülerprojekten wird ein Bogen zum heutigen Zeitgeschehen und der Verantwortung für die Zukunft geschlagen.

Infos bei grenzlandmuseum.de

 

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