„Zeitgeschichte im Zentrum – Zeitgeschichte verbindet“. Das ist der Titel des neuen Flyers, den das Grenzlandmuseum Eichsfeld, das Museum Friedland und die beiden KZ-Gedenkstätten Mittelbau Dora und Moringen gemeinsam herausgegeben haben. Damit wollen die vier Einrichtungen die Stärken ihrer Zusammenarbeit präsentieren. Nach Grußworten von Wolfgang Nolte, zweiter Vorsitzender des Fördervereins Grenzlandmuseums Eichsfeld, wurden auf einer Podiumsdiskussion im Grenzlandmuseum die historischen Hintergründe und die Bedeutung der Häuser vorgestellt, aber auch Fragen zu gesellschaftlichen und ethischen Aufgaben beantwortet. Die Göttinger Kulturjournalistin Tina Fibiger hat die Veranstaltung moderiert.
Nationalsozialismus – deutsche und europäische Teilung – Migration: das sind historische Entwicklungen, die in ihren Ursachen und Folgen eng miteinander verknüpft sind. Da die (deutsche) Geschichte nicht nur in Teilaspekten zu betrachten ist, liegt es eigentlich auf der Hand, dass die Gedenkstätten und Museen zunehmend gemeinsame Konzepte entwickeln, um durch das Erinnern heutige Entwicklungen zu verstehen, zu hinterfragen und mit der jungen Generation Perspektiven für die Zukunft zu entwerfen.
„Auf einer geschichtlichen Zeitachse in nur rund 50 Kilometern voneinander entfernt liegen diese Erinnerungsstätten mitten in Deutschland. Das ist ein zentraler Raum, auf dem Geschichte pur zu erleben ist“, sagte Paul Schneegans, Gründungsmitglied und ehemaliger Geschäftsführer des Grenzlandmuseums, und brachte damit eine der Stärken für die engere Zusammenarbeit auf den Punkt. Weitere Aspekte sind thematische Parallelen der vier Häuser.
Besondere Herausforderungen seien allerdings die Lehrpläne und das Zeitmanagement der Schulen, sagte Angela Steinhardt, Museumspädagogin im Museum Friedland, das in diesem Kreis eine Sonderstellung einnahm. Friedland ist bis heute Grenzdurchgangslager. „Abschottung scheint etwas Urmenschliches zu sein. Jede Generation glaubt, dass sich Fremdenhass nur gegen eine bestimmte Menschengruppe richtet“, erklärte Angela Steinhardt und nahm damit auch Bezug auf aktuelle – und keineswegs nur deutsche – Entwicklungen.
Am besten seien die Herausforderungen mit Angeboten zu meistern, die sich idealerweise mehrtägig innerhalb schulischer Projektwochen u. ä. durchführen ließen, waren sich die Podiumsgäste einig. „Museen müssen jungen Menschen helfen, neugierig zu werden“, sagte Dietmar Sedlaczek, Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen. Über Zeitzeugengespräche, Theaterstücke und weitere niedrigschwellige Angebote käme man auch mit Jugendlichen auf Themen wie Toleranz und Humanität, erklärte er. Das ehemalige Jugend-KZ Moringen ist heute nicht nur Gedenkstätte, sondern auch ein „Maßregelvollzugszentrum“ des Landes Niedersachsen, wo straffällige Jugendliche untergebracht sind.
„In unserer pädagogischen Arbeit steht heute vor allem die Frage im Mittelpunkt: Welche Handlungsspielräume hat jeder? Eine Antwort ist nie vorgegeben, aber es ist wichtig, Gespräche zu führen“, erklärte Dr. Regine Heubaum von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora. Auch bei dieser Gedenkstätte gibt es eine Besonderheit: Das Gelände des KZ-Außenlagers Ellrich-Juliushütte lag nach der deutschen Teilung genau auf der innerdeutschen Grenze, gehörte also ebenso zu Niedersachsen wie zu Thüringen. Heute erinnern ein Gedenkstein und ein paar wenige Fundamente direkt an der Bahnstrecke Northeim-Nordhausen an das Außenlager. Auf niedersächsischer Seite wurden die Gebäude in den 1960er Jahren abgerissen und das Gelände zum Naturschutzgebiet erklärt, auf thüringischer Seite verlief der Todesstreifen.
Auch die Stationen des Grenzlandwegs am Grenzlandmuseum Eichsfeld liegen sowohl auf thüringischer als auch auf niedersächsischer Seite, Teile davon erstrecken sich über das Grüne Band. Im Grenzlandmuseum stehe die Aufarbeitung der Historie der deutschen Teilung, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann, im Mittelpunkt, sagte Geschäftsführerin Mira Keune. Auch hier stelle sich die Frage nach Handlungsspielräumen und nach dem jeweils zeitgeschichtlichen Bewusstsein für Bürgerrechte.
Bei allen vier Häusern wird also deutlich: Nicht nur das Erinnern gehört zur Aufgabe moderner Museen/ Gedenkstätten, sondern auch Förderung von Verständnis, Diskussion und Beteiligung am aktuellen Zeitgeschehen. Auf dem gemeinsamen Flyer der vier Häuser wird die Frage gestellt: „Wann hört Geschichte auf und wann beginnt sie?“ – Wir sind jederzeit Teil der Geschichte, wir sind immer mittendrin. Es ist also eine Frage der Verantwortung. Und die Frage nach der Fähigkeit und Bereitschaft jedes Einzelnen, diese Verantwortung zu tragen.
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