Vorbereitungen laufen: Licht- und Klangkunst wird am Grenzlandmuseum installiert

Das Team der Nivre Film & Studio GmbH aus Weimar ist seit Montag damit beschäftigt, am Grenzlandmuseum die Technik für das Licht- und Klangkunstprojekt „Niemandsland – Zwischen zwei Welten“ zu installieren. Rund 1000 Meter Kabel wurden bereits am ersten Aufbau-Tag verlegt.

 

Jacob-Lucas Burckhardt und Frederik Sukop befestigen Scheinwerfer an Laternenpfählen

 

Der Nivre-Praktikant Jacob-Lucas Burckhardt und der freiberufliche Techniker Frederik Sukop haben tagsüber schwere Scheinwerfer an Laternenpfählen befestigt, um den Platz vor dem Museum zum Festwochenende in eine ganz besondere Atmosphäre zu tauchen. Abends werden die Leuchtkörper dann auch schon mal angeschaltet, um zu überprüfen, ob alles so funktioniert wie geplant. Bis Freitagabend muss alles fertig sein.

 

Frederik Sukop und Martin Saalfrank überprüfen abends die Licht-Technik

 

Am Samstag wird ein großer Besucherandrang erwartet. Nach dem Gottesdienst um 16 Uhr auf Teistungenburg wird die einzigartige, für das Grenzlandmuseum konzipierte Lichtkunstinstallation „Niemandsland – Zwischen zwei Welten“ eröffnet: Die aufregende Zeit im Herbst 1989 soll in Bildern und Ton lebendig werden.

Lichtkünstler Martin Saalfrank, bei dem die Fäden für den Aufbau zusammenlaufen, hat zwar schon öfter Großprojekte durchgeführt – zum Beispiel die künstlerische Illumination der Wartburg im Lutherjahr 2017 – aber jeder Spielort ist anders, hat sein eigenes Thema, seine topografischen Besonderheiten. Für die Gesamt-Konzeption am Grenzlandmuseum ist Christian Scheibe verantwortlich. „Es ist nicht möglich, die ganze komplexe Geschichte der Grenzöffnung mit allen Hintergründen zu erzählen. Daher müssen wir die Quintessenz herausarbeiten und haben uns thematisch auf die friedliche Revolution und auf die Öffnung der Grenze, die ja von vielen noch als Wunder wahrgenommen wird, konzentriert“, erklärt Christian Scheibe von der Nivre Film & Studio GmbH aus Weimar.

Drei Tage lang haben er und sein Team bei seinem ersten Besuch im Grenzlandmuseum vor einigen Monaten das Archiv durchforstet, um Fotos, Filmmaterial und Zeitzeugenberichte auszuwählen. Dabei haben sich die Schwerpunkte des Lichtkunstprojektes am Grenzlandmuseum herauskristallisiert. „Fast alle Fotos von den friedlichen Demonstrationen und von der Grenzöffnung haben diese Kontraste von Licht – Kerzen, Scheinwerfer oder Autokorsos bei der Grenzöffnung – und Dunkelheit, denn vieles fand abends statt, und es war eben November“, erzählt der Lichtkünstler.

 

Bei einem der Vorbereitungstreffen: Georg Baumert, Mira Keune, Horst Dornieden (v. l.) und Patrick Hoffmann (r.) vom Grenzlandmuseum und Maximilian Merkel, Raphael Köhler, Frank Zigan und Hella Vahl von Nivre

 

Außerdem sei ihm bei Gesprächen mit der jüngeren Generation aufgefallen, dass scheinbar die Vorstellung fehlt, was die DDR-Diktatur bedeutet hat: Ein Regime hat sein Volk hinter Stacheldraht, Mauern und Minenfeldern eingezäunt und gefangengehalten. Wer versuchte herauszukommen, sollte erschossen werden. Beim tödlichen Treffer gab es zur Belohnung Sonderurlaub für den Schützen.

Der Gedanke eines Lichtbandes formte sich beim Nivre-Team. Genau dort, wo der einstige Todesstreifen heute noch sichtbar ist, am Grenzlandweg zwischen Gerblingerode und Teistungen, sollen 1000 Leuchtkörper symbolisch für die Opfer an der innerdeutschen Grenze stehen. „Die Quellen sind ungenau, manche nennen 900, andere 1400 Tote an der Grenze. Mit dem Lichtband wollen wir symbolisch an diese Menschen erinnern. Aber es steht gleichermaßen für all die Kerzen bei der friedlichen Revolution, für den Mut und die Hoffnung der Menschen“, erklärt Christian Scheibe.

 

Warnschilder von der ehemaligen Grenze

 

Der Titel „Niemandsland – Zwischen zwei Welten“ wurde gewählt, um die Besonderheit des einstigen Sperrbezirks herauszustellen. Selbst DDR-Bürgern im Landesinneren sei nicht unbedingt klar gewesen, was es bedeutete, in dem fünf Kilometer breiten Streifen direkt an der Grenze auf DDR-Territorium zu leben, wo niemand ohne Passierschein hinein oder hinaus durfte. An das Leben in diesem „Niemandsland“, an die Stille, die geringe Bevölkerungszahl nach den Zwangsumsiedlungen, sollen unter anderem Videofragmente erinnern, die auf den Außenwänden der Gebäude am Grenzlandmuseum gezeigt werden. Und schließlich soll als Kontrast zu dieser Stille im Niemandsland die Stimmung in den Tagen vor und während der Grenzöffnung vor 30 Jahren in Bild und Ton emotional erlebbar werden.

 

Paul Hauptmeier und Martin Recker haben nach ihrem Studium an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar ein Klangstudio gegründet und für das Nivre-Projekt den Klang konzipiert

 

Das Konzept aus Licht und Bildern wird intensiviert durch Klang: Originaltöne, Zeitzeugenbeiträge und Kompositionen, die ein Duo von der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar extra für dieses Projekt erschaffen hat, werden die visuellen Eindrücke begleiten.

Mehrere besondere Klangstationen soll es geben, sagt Christian Scheibe: Das Gelände vor der ehemaligen Zollabfertigung wird bespielt, unter anderem mit Diaprojektionen und vorgelesenen Protokollen von Fluchtversuchen – die in ihrer völligen Emotionslosigkeit einen knallharten Kontrast zu den Freudentränen bei der Grenzöffnung bilden. Dann wird die Hahletalbrücke klanglich bespielt, und schließlich soll der Grenzlandweg bis hinauf zum Beobachtungsturm auf dem Pferdeberg mit einem Klangteppich belegt werden und einen akustischen Gegenpol zum Lichtband bilden.

 

Auch der Beobachtungsturm auf dem Pferdeberg soll bespielt werden.

 

Und welche Gedanken für die Gegenwart und Zukunft stehen hinter dem Projekt?

Dazu erklärt Christian Scheibe: „Im ganzen Konzept geht es um Freiheit. Und mit diesem Begriff wünsche ich mir eine differenzierte Auseinandersetzung. Vor 30 Jahren wurde für die Freiheit gekämpft, aber diese Freiheit war für die Menschen im Osten schließlich ein kompletter Umbruch. Statt zusammenzuwachsen, klaffen wir heute gesellschaftlich eher auseinander. Freiheit kann auf gesellschaftlicher Ebene aber nur funktionieren, wenn wir dem Gegenüber die gleiche Freiheit einräumen, die wir für uns selbst wünschen. Vielleicht sollten wir 30 Jahre nach der Grenzöffnung reflektieren: Was hat uns die Freiheit gebracht, was bedeutet sie uns heute und wohin wollen wir gehen?“

„Niemandsland – Zwischen zwei Welten“ ist Samstag und Sonntag, 9. und 10. November 2019, auf dem Außengelände des Grenzlandmuseums und am Grenzlandweg jeweils ab 16 Uhr kostenfrei erlebbar. Parkmöglichkeiten gibt es am Hotel Hahletal, auf dem Parkplatz an der B247 vor Teistungen und bei Victor´s Residenz Hotel Teistungenburg. Die Parkplätze sind ausgewiesen. Nur Besucher mit einem Schwerbehindertenausweis können den Parkplatz am Grenzlandmuseum nutzen.

Das komplette Programm gibt es HIER

 

GrenzlandmuseumEichsfeld NiemandslandZwischenZweiWelten NivreFilmUndStudioGmbH 30JahreGrenzöffnung

 

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