Guter, handgemachter Rock´n Roll schallte am Tag der Deutschen Einheit über den Platz am Grenzlandmuseum. TM6 – das Thomas Müller Sextett – trat zwischen ehemaliger Zollabfertigung und Mühlenturm auf, und vor der Bühne tanzten die Menschen.
Einige Bandmitglieder rocken schon seit den 1960-er Jahren. Nur waren lange Haare, englischsprachige Texte und der Beat an sich dem Klassenfeind zuzuordnen und in der DDR nicht gern gesehen. Die SED-Führung hat 1965 der gerade aufkommenden Beat-Szene in Leipzig einen Schlag versetzt, indem sie den Bands die Spielerlaubnis entzog oder sie gleich gänzlich verbot. Daraufhin kam es im Oktober 1965 zur Jugendrevolte, die von der Volkspolizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken bekämpft wurde. Im Oktober 1966 wurde eine weitere Beat-Demo verhindert. Unter schwierigen Bedingungen setzte sich dennoch eine DDR-Beatszene durch. Das Thomas Müller Sextett wurde 1972 in Leinefelde gegründet und erhielt bei einer Beat-Jazzmesse, unterstützt vom Leinefelder Kaplan, die Möglichkeit, öffentlich aufzutreten. Weitere Konzerte folgten beim Jugendtanz.
„Wir haben in diesem Jahr ein paar andere Schwerpunkte gesetzt, um den Tag der Deutschen Einheit zu feiern. Die Live-Band gehört auch dazu“, sagt die Geschäftsführerin des Grenzlandmuseums Mira Keune. Trotz des feuchten und kühlen Herbstwetters wurde das Programm hervorragend angenommen. Rund 1400 Menschen nutzten die Angebote des Museums.
Bei kostenlosen Führungen, Podiumsdiskussionen mit Zeitzeugen und in der Foto-Sonderausstellung von Sören Baumgarten herrschte zu den Stoßzeiten dichtes Gedränge. Der Fotoreporter, der schon zu DDR-Zeiten das Privileg hatte, als freier Journalist arbeiten zu dürfen, hatte im Herbst 1989 die Friedensmärsche und Demonstrationen im Eichsfeld mit seiner Kamera festgehalten. „Niemand wusste, wie das alles ausgehen würde. Aber wenn man bedenkt, wie die Menschen damals gelebt, und was sie ausgehalten haben, dann frage ich: Wovor habt ihr heute Angst?“, kritisiert Baumgarten so manche Entwicklungen im wiedervereinten Deutschland. Die Zeit der Wende nennt er die Zeit der einzigen echten Demokratie, wo jeder den dringenden Wunsch verspürte, sich einbringen und etwas verändern zu wollen. Positiv sei, dass heute die Jugend wieder auf die Straße geht und etwas verändern möchte. „Fridays for Future müsste jetzt in ein Forschen für die Zukunft münden“, hofft der Journalist und Visionär. Von Lehrern fordert er, die Jugend so auszubilden, dass sie weiß, wie sie ihre Ziele später auch beruflich erreichen kann.
Auf dem Podium der Zeitzeugen saßen Heribert Wetter, 1989 Kaplan in Leinefelde, und Hans-Gerd Adler, der 1989 der Vorsitzende des Sprecherrates der Demokratischen Initiative Heiligenstadt war. Beide Zeitzeugen organisierten im Herbst 1989 Friedensgebete und Demonstrationen im thüringischen Eichsfeld. In den zum Teil sehr persönlichen und hochspannenden Schilderungen wurde klar, wie eng die Gratwanderung zwischen Hoffnung und Angst, zwischen Glauben und Verzweiflung im Herbst 1989 war. Und wie viel Mut dazu gehört, sich in einer Diktatur für Freiheit und Demokratie einzusetzen.
Im Grenzlandmuseum werden Dokumente, Bilder und Objekte aus jener Zeit, insbesondere aus dem Eichsfeld, archiviert. Zeitzeugen können sich beteiligen und ihre Materialien oder ihre Erlebnisberichte dem Museum überlassen.
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