Einen riesigen Fundus an historischen Ansichtskarten aus dem Eichsfeld hat der Rhumspringer Lehrer Friedrich Müller seit Jahrzehnten zusammengetragen. Es sei zu schade, all diese Zeitdokumente in den Kartons verstauben zu lassen, dachten sich seine Kinder Mareike und Henning Müller, die heute beide in Göttingen leben. Also fingen sie an, die mehr als 20.000 Karten umfassende Sammlung zu digitalisieren und öffentlich sichtbar zu machen.
„Wir sind noch lange nicht fertig. Ungefähr die Hälfte der Karten hat mein Bruder eingescannt. Ich bin für den Internet-Auftritt zuständig“, sagt Mareike Müller. Die Webseite soll leicht gefunden werden, daher werden auch SEO-Maßstäbe beachtet, und auf Social-Media-Kanälen werden verschiedene Exemplare aus der Sammlung vorgestellt.
Friedrich Müller hat u. a. an der Grundschule Rhumspringe unterrichtet. Seine Leidenschaft für historische Ansichtskarten hat er schon vor Jahrzehnten entdeckt, seine Kinder kennen ihn nicht anders. Auf Flohmärkten und bei Ebay hat er einiges gefunden, aber auch in der Familie seien ihm immer wieder besondere Karten mitgebracht worden, erzählen die Geschwister. Um anderen Sammlern, Historikern, Heimatforschern und Interessierten den Fundus zugänglich zu machen, sollen nun alle Ansichtskarten, Postkarten, Feldpostkarten und einige Sterbebilder digitalisiert werden und auf der Webseite www.eichsfelder-postkarten.online veröffentlicht werden.
„Die Seite erhält schon einige Aufmerksamkeit. Es haben sich noch mehr Leute gemeldet und meinem Vater weitere Postkarten überlassen. Die Sammlung wächst also weiter“, sagt Mareike Müller.
Auf der Webseite kann man über eine Suchfunktion einen bestimmten Ort oder einen Themenbegriff wie „Festumzug“ oder „Unglück“ eingeben. Ansichtskarten waren nämlich nicht nur bebilderte Urlaubsgrüße, sondern sie wurden auch als Feldpost genutzt oder übermittelten Nachrichten von besonderen Ereignissen. Lange vor der Erfindung von Smartphones und Social Media wurden Bilder von Katastrophen, zum Beispiel von den Duderstädter Großbränden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vom Hochwasser in Heiligenstadt im Jahr 1909, vom Zugunglück in Silberhausen 1921, aber auch von fröhlichen Großveranstaltungen mit Festumzügen, an Freunde und Verwandte geschickt.
In den Weltkriegen wurden Verwundete in den Lazaretten versorgt, zum Beispiel im Krankenhaus St. Martini oder bei den Ursulinen in Duderstadt. Von dort haben die Patienten ihre Feldpost verschickt, um die Familie zu benachrichtigen. In der Müller-Sammlung gibt es Feldpostkarten aus beiden Weltkriegen.
Sterbebilder wurden seit dem 19. Jahrhundert im Ort verteilt oder verschickt, um über einen Todesfall zu informieren, oder sie wurden als Erinnerungskarten bei Beerdigungen an die Trauernden ausgegeben.
Die älteste Postkarte in der Müller-Sammlung – also eine Korrespondenzkarte ohne Bilder – stammt von 1879, abgestempelt in Breitenworbis. Zwei weitere von 1880 wurden in Gieboldehausen und Hilkerode abgestempelt. Erst ab 1870 wurden unbebilderte Postkarten im Norddeutschen Bund unter preußischer Führung postamtlich eingeführt, um kurze Nachrichten zu versenden und das deutlich teurere Porto für einen Brief einzusparen. Ab 1871 verkaufte die Post selbst Ansichts- und bebilderte Glückwunschkarten, und ab 1872 wurden auch andere, nicht von der Post hergestellte Karten zugelassen.
Ende des 19. Jahrhunderts war es außerdem möglich, mit der Eisenbahn schnell und bequem zu reisen, und der Tourismus begann. Kur- und Heilbäder hatten Hochkonjunktur. Man reiste, um sich zu erholen, und man wollte den Daheimgebliebenen Urlaubsgrüße mit einem hübschen Bild vom Kurort schicken. Die Ansichtskarten setzten sich zunehmend durch, zumal sie durch modernere Druckverfahren schnell und recht günstig herzustellen waren.
Heute sind die alten Ansichtskarten ein Zeitfenster in vergangene Epochen. Die Müller-Sammlung wird stetig vergrößert und soll für alle Interessierten öffentlich zugänglich bleiben. Informationen zur Urheberrechtlichkeit gibt es im Impressum der Webseite.
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Titelbild: Grußkarte aus Duderstadt von 1898
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