„Heimat ist dort, wo ich noch die Kirchturmspitze sehe.“ – Das wäre eng gedacht. Jeder Mensch wird das Wort Heimat individuell definieren. Manche meinen damit den Ort, an dem sie geboren wurden oder aufgewachsen sind. Andere fühlen sich an ihrem derzeitigen Wohnsitz, in ihrer Familie, in einer Gruppe oder in ihrem Glauben beheimatet, in der Kunst oder in der Natur. Auf jeden Fall drückt Heimat tiefe Verbundenheit aus mit dem, was man darunter versteht.
In der NS-Diktatur wurde das Wort Heimat als Inbegriff der Ab- und Ausgrenzung missbraucht. Darauffolgend war alles „heimatliche“ in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eher negativ, oder bestenfalls mit Kitsch behaftet. Erst in Zeiten der Globalisierung, wo für Individualität nur noch wenig Raum bleibt, hat die Heimat eine neue Wertschätzung erreicht. Heimat bietet Vertrautheit, Sicherheit, Dazugehörigkeit und Identität. All das wird zu Recht als schützenswert empfunden.
Heimat ist mehr als ein Wohnsitz
Schon die Brüder Grimm definierten den Begriff Heimat in ihrem berühmten Deutschen Wörterbuch vieldeutig: Land, Geburtsort, Elternhaus, ständiger Wohnort, Besitztum. Wikipedia geht noch weiter: Raum, Zeit, Kultur und soziales Umfeld werden unter anderem unter dem Suchbegriff Heimat aufgeführt. In engen Zusammenhang wird die Heimat mit Mentalität und Weltauffassung gebracht, und hier wird dann spätestens klar: Heimat ist mehr als ein Wohnort – oder umgekehrt: nicht jeder Wohnort wird als die persönliche Heimat empfunden. Denn die innere Verbundenheit ist vor allem ein ganz individuelles Gefühl.
Verwurzelt – oder bereit, neue zu Wurzeln schlagen?
Verbundenheit mit einem Ort, einer Region oder einer Weltanschauung kann durch eine kulturelle Prägung entstehen. Werden in der Familie Bräuche, Traditionen oder Religion gelebt? Bietet die Verbundenheit genügend Sicherheit, um sich mit dieser Basis auch auf neue Wege zu trauen? Oder steht sie auf wackeligen Füßen, sodass die darin Beheimateten meinen, ihre Kultur, ihren Glauben oder ihre Weltanschauung gegenüber neuen Einflüssen verteidigen zu müssen? Es scheint immer eine Gratwanderung zu sein.
Es kann gut sein, Bewährtes zu bewahren, nicht jedem neuen Trend nachzujagen und damit eine stabile (kulturelle) Basis zu behalten. Es kann aber auch gut sein, von Altem loszulassen, um sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen. Manches ist eben nicht mehr zeitgemäß oder war schon früher nicht gut.
Angst vor Verlust oder Veränderung?
Ab- und Ausgrenzung, angeblich zum Schutz der eigenen Kultur, sind auch heutzutage die Bestrebungen vieler politischer und religiöser Gruppierungen – weltweit. Wer meint, die eigene Kultur sei in Gefahr, scheint also Angst vor dem Verlust der kollektiven Identität zu haben. Besonders in ländlichen Regionen (nicht nur in Deutschland) geistert die zum Teil berechtigte Angst vor Abwanderung der Jugend, Überalterung der Bevölkerung, Sterben der Infrastruktur, und schließlich Aussterben des Heimatdorfes umher. Zur Hoffnungslosigkeit gesellt sich Misstrauen gegenüber jeder strukturellen Veränderung des noch verbliebenen Vertrauten.
Fremdenhass wird vielerorts offen ausgesprochen und ist bei weitem nicht nur das Problem einer bestimmten Nation. Das Wort „fremd“ beinhaltet aber auch, dass man gar nicht kennt, was man zu hassen meint. Ist Fremdenfeindlichkeit vor allem Unsicherheit, sich auf das Unbekannte einzulassen? Oder hat wirklich schon eine so dramatische Verrohung stattgefunden, dass menschen- und lebensverachtende Parolen wieder Platz in so vielen Kulturen finden – auch in unserer eigenen?
Die Naturwissenschaft beweist jedoch, dass Monokulturen anfällig sind. Auch der Mensch, als Teil des großen Ganzen, kann sich in seiner kulturellen Entwicklung den Gesetzen der Natur nicht entziehen. Die wahre Stärke einer Gesellschaft liegt also naturgegeben in der Vielfalt, und niemals in der Ab- und Ausgrenzung.
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