Der Standort der Duderstädter Feilenfabrik am Sachsenring wurde im Jahr 2007 als Gewerbestandort neu erschlossen. Zur mehr als 100-jährigen Geschichte des Geländes als Standort verschiedener Wirtschaftsunternehmen hat der Duderstädter Stadtarchivar Hans-Reinhard Fricke im Jahr 2010 einen Beitrag in der Eichsfelder Heimatzeitschrift veröffentlicht:
Die Ansiedlung der Feilenfabrik in Duderstadt im Jahre 1910
Gastbeitrag von Hans-Reinhard Fricke
Nach Umbau und Ansiedlung zahlreicher Verkaufseinrichtungen hat sich das Bild des ehemaligen Industriegeländes am Sachsenring (ehem. Feilenfabrik) völlig verändert. Bereits vor 100 Jahren stand diese Frage schon einmal im Raum. Eine Akte im Stadtarchiv gibt Aufschluss über die damaligen Vorgänge.
1884 war auf diesem Gelände am Westerborn eine Zuckerfabrik errichtet worden, die jedoch keinen wirtschaftlichen Erfolg hatte. Nach der Liquidation der Aktiengesellschaft „Zuckerfabrik Duderstadt“ im Jahre 1896 wurde die Fabrik noch 10 Jahre lang weitergeführt. Danach blieben die Anlagen zunächst ungenutzt.
Im Jahre 1910 erwarben die Feilen und Maschinenfabriken, vormals Gebr. Ufer Aktiengesellschaft, das Gelände und planten die Erweiterung der Gebäude. Mit einem Investitionsvolumen von 200.000 Mark sollte ein Zweigwerk für 200-300 Arbeiter errichtet werden – „vorbehaltlich einiger mit der Stadt Duderstadt besonders zu erledigender Punkte“, wie die Geschäftsleitung dem „hochwohllöblichen Magistrat der Stadt Duderstadt“ mitteilte.
Die Punkte betrafen infrastrukturelle Fragen wie die Sicherheit gegen Überschwemmungen der Hahle, die Herrichtung eines Zufahrtweges zur Bahnhofstraße, die eventuelle Anbindung an die Bahnlinie bei entsprechender Größe des Betriebes und die Regelung der Abwassereinleitung in die Hahle. Daneben forderte die Geschäftsleitung von der Stadt die Errichtung von 20 Arbeiterwohnungen sowie die Zusicherung auf Befreiung von der Kommunalsteuer für ein Jahr.
Die Stadt war grundsätzlich erfreut über die Industrieansiedlung und auch kooperationsbereit, zumal die Feilenfabrik damit drohte, das geplante Werk ansonsten im Rheinland zu errichten. Die Hochwassersicherung und die Abwasserfrage waren schnell geklärt, ebenso die Frage der Steuerbefreiung. Hinsichtlich der Straßenanbindung war die Stadt allerdings lediglich bereit, einen chausseemäßigen Ausbau vorzunehmen, nicht aber die Straße zu pflastern.
Die bereits für die Zuckerfabrik erteilte Genehmigung für einen Anschluss an die Bahnstrecke wurde übertragen, wobei ein gemeinsames Gleis mit dem geplanten Schlachthof vorgeschlagen wurde. Nicht akzeptieren wollte die Stadt aber die Errichtung der Arbeiterwohnungen auf ihre Kosten, allenfalls bei der Beschaffung zinsgünstiger Kredite wollte sie behilflich sein. Sie bekam vielmehr Bedenken, ob durch die Zahl der zuziehenden Arbeiter nicht die Belastungen für die Stadt z.B. durch eine nötige Vergrößerung der Schulen zunehmen würden. Diesen Einwand konnte die Feilenfabrik entkräften. Es sollten vorrangig ortsansässige Arbeiter beschäftigt werden, und zwar ganzjährig, was auch der Stadt nutzen werde. Lediglich die Ingenieure sollten von auswärts zuziehen.
Auf Drängen der einheimischen Kaufleute bestand der Magistrat schließlich auf der Zusicherung, dass die Feilenfabrik keineswegs plane, für ihre Arbeiter einen Konsumverein einzurichten – sehr zum Ärger der örtlichen Ladeninhaber war zu Jahresbeginn der Konsumverein für Duderstadt und Umgebung gegründet worden und hatte sich erfolgreich etabliert. Die Feilenfabrik gab die geforderte Zusicherung, da ihre Belegschaft für diesen Zweck zu klein sei, behielt sich aber die Einrichtung einer Kantine vor.
Zum Jahresende (1910) nahm die Fabrik nach erfolgtem Umbau den Betrieb auf. Wenn sie auch nicht die projektierte Belegschaftsgröße erreichte, war sie doch über viele Jahre ein bedeutender Arbeitgeber in Duderstadt.
Hans-Reinhard Fricke