Fragen zum Diskussionspunkt Heimatmuseum: Zu teuer? Zu unsichtbar? – Oder zu wertvoll zum opfern?

Die Existenz des Duderstädter Heimatmuseums steht auf der Kippe. Für eine dringend notwendige Sanierung wurden rund 2 Mio. Euro an Baukosten veranschlagt, wozu auch schon ein Großteil an Fördermitteln und ein Nachlass zur Verfügung stünden. Doch inzwischen kommen Fragen auf zum finanziellen Aufwand und zum Erhalt des Heimatmuseums im bisherigen Gebäude Bei der Oberkirche.

„Die Förderung der notwendigen Baumaßnahmen über Städtebauförderung ist angedacht, es wird derzeit davon ausgegangen, dass die Maßnahmen zu ca. 95 % förderfähig sind“, heißt es in der Beschlussvorlage, öffentlich einsehbar auf der Webseite der Stadt Duderstadt. Ein Drittel der förderfähigen Kosten hätte die Stadt Duderstadt zu stemmen: rund 633.000 Euro. Dazu kämen weitere Kosten in den nächsten Jahren, u. a. Unterhaltung des Gebäudes etc., ebenfalls öffentlich einzusehen in der Kostenübersicht.

Öffentlich einsehbare Kostenübersicht HIER

In Aussicht stehen Fördermittel aus der Städtebauförderung und aus dem Förderprogramm „Zukunftsräume Niedersachsen“, und es wurde ein Nachlass von rund 460.000 Euro der Duderstädterin Ilse Marie Bock angenommen, zweckgebunden an die Weiterentwicklung des Heimatmuseums. Bisherige laufende Kosten für die Stadt werden mit ca. 100.000 Euro pro Jahr angegeben.

Nun steht zur Debatte, ob die in Aussicht stehenden Fördergelder doch nicht angenommen werden, der Ausstellungsbereich der Museums irgendwie ins Rathaus, Stadtarchiv, Westerturmensemble und „andere Einrichtungen“ umgelagert werden könnte und das barocke und stark sanierungsbedürftige Fachwerkgebäude Bei der Oberkirche zum Verkauf angeboten wird. Der Nachlass könnte dann „anderweitig für museale Zwecke verwendet werden“, heißt es in der Beschlussvorlage.

 

Portal am Heimatmuseum Duderstadt
Barockes Portal am Heimatmuseum Duderstadt, das früher eine Knabenschule war

 

Begründet wird ein möglicher Absprung von den bisherigen Plänen folgendermaßen:

„Es gibt eine hohe personelle Fachkompetenz, aber keine adäquate Resonanz bei der Nutzung (des Heimatmusems). Fraglich ist: Ändert sich das durch Neukonzeptionierung in dem Umfang, dass der Kostenaufwand vertretbar ist? Mit Blick auch auf die Besucherintensität anderer Einrichtungen (Grenzlandmuseum, Rathaus, Westerturmensemble) muss das wohl eher verneint werden.“

Man kommt zu dem Ergebnis: Der Erhalt oder/und die Instandsetzung des Gebäudes mit Herstellung der rechtlich notwendigen Rahmenbedingungen ist für die Stadt Duderstadt als unwirtschaftlich einzustufen. Gegebenenfalls sei auch eine Veräußerung oder Einlagerung von Exponaten zu prüfen.

Öffentlich einsehbare Beschlussvorlage HIER

 

Blaudruckstempel Heimatmuseum Duderstadt
Wohin mit den Exponaten? Blaudruckstempel im Heimatmuseum Duderstadt

 

Spätestens hier drängen sich einige Fragen auf:

Wann konnten die Besucher bisher überhaupt ins Heimatmuseum?
Das Museum wurde auch schon vor Corona nur freitags bis sonntags zwischen 11 und 16 Uhr geöffnet. Tagesgäste, die in der Woche Duderstadt besuchen, konnten nicht ins Museum (Ausnahme: angemeldete Gruppenreisen, Schulklassen). Inzwischen ist es ganz geschlossen.

Wie präsentiert sich das Heimatmuseum?
Wer das Museum finden möchte, muss vorher wissen, dass es existiert. Hinweisschilder? Kaum. Eigene Webseite? Fehlanzeige. Social Media? Auch nicht. Gebe ich Heimatmuseum Duderstadt bei Google ein, komme ich neben einigen externen Tourismusseiten mit Besucherbewertungen (die aber durchweg positiv sind) nur auf die Webseite der Stadt Duderstadt als einzige digitale Präsenz, die von seiten des Museums/der Stadt mit eigenen Inhalten bespielt werden könnte. Dort muss ich mich zum Heimatmuseum über den Menüpunkt „Tourismus & Freizeit“ – Untermenü „Heimatmuseum“ durchklicken. Oder ich habe die Eingebung, es nochmal weiter rechts im Untermenü „Virtuelle Rundgänge und Webcams“ zu probieren, wo ich tatsächlich noch einen (gut gemachten) virtuellen Rundgang durch das Museum finden kann. Ganz Neugierige kommen vielleicht auch auf die Idee, das Wort Tourismus oder das darunter liegende Foto vom Schützenmuseum anzuklicken, und dort kommen sie dann auf eine Präsentation der Duderstädter Sehenswürdigkeiten. Bei einem weiteren Klick auf den Menüpunkt „Erlebnisvielfalt“ ist das Untermenü Heimatmuseum zu finden.
Wie auch immer, es bleibt ein weiter Weg zum digitalen Auftritt.

Wo also kann jemand auch „zufällig“ auf die Angebote des Museums aufmerksam werden?
Wo kann Austausch mit potenziellen Gästen oder mit einheimischen Museumsfans entstehen? Wo können aktuelle Bilder und Veranstaltungen präsentiert werden, die Appetit auf einen Museumsbesuch machen? Wo können Studierende, Schüler*innen, Gruppenleiter*innen, Forscher*innen, Familien etc. unverbindliche kurze Fragen stellen und erhalten ebenso zügig und unverbindlich Antworten?

In modernen Museen werden z. B. regelmäßig über Social Media Bilder und Posts zu besonderen Jahrestagen, zu historischen Ereignissen und zu den eigenen Veranstaltungen veröffentlicht, Anfahrtswege oder kurzfristige Änderungen im Programm etc. (besonders im Corona-Zeitalter) mitgeteilt oder spontane Fragen von Besuchern beantwortet. Die Verknüpfung (auch über Social Media) mit ähnlichen Einrichtungen bringt allen Beteiligten eine größere Reichweite und Sichtbarkeit. Das Duderstädter Heimatmuseum hat hier seit Jahren im Dornröschenschlaf geschlummert.

Öffentlichkeitsarbeit kostet Zeit und Personal und ist mit einer lediglich halben Stelle für eine Museumspädagogin nicht „so nebenbei“ zu leisten. Einige Museen bieten Stellen für Freiwilligendienstler an, die das höhere Arbeitsaufkommen für eine digitale Präsenz und besondere Projekte mit unterstützen.

Aufmerksamkeit könnte ein Museum auch erhalten, wenn es Ausschreibungen vornimmt für Forschungsarbeiten jeglicher Art. Allerdings ist das Archiv des Heimatmuseums nicht digitalisiert – auch ein Problem, das nicht erst seit Corona besteht.

Wie wirkt das Heimatmuseum auf den Besucher?
Wer trotz einer minimalen digitalen Präsenz dennoch herausgefunden hat, dass es in Duderstadt ein Heimatmuseum gibt und zufällig auch am Wochenende in der Stadt unterwegs ist, kommt dann möglicherweise auch dort an – und fragt sich beim äußeren Anblick, der wohl nicht über Nacht entstanden ist, ob es sich wirklich lohnt, dort hineinzugehen – oder ob man besser irgendwo einen Kaffee trinken sollte.

 

Heimatmuseum Duderstadt Eingang
Heimatmuseum Duderstadt: Die Außenansicht ist seit einigen Jahre wenig einladend.

 

Wie sollte man im Fall eines Gebäudeverkaufs die Exponate auf andere Einrichtungen aufteilen?
Es ist momentan doch eher das Problem, dass es in Duderstadt außergewöhnliche Exponate gibt, die nicht präsentiert werden können, weil kein Platz mit entsprechenden Voraussetzungen vorhanden ist. Vor drei Jahren wurden zum Beispiel 37 Drucke aus dem 15. Jahrhundert in Duderstadt gefunden und als „wissenschaftliche Sensation“ auch in überregionalen Medien beschrieben. Die kann sich zurzeit aber niemand ansehen.

Auf dem Dachboden des Museum lagern einige Exponate, die es ebenfalls wert wären, präsentiert zu werden. Dafür müsste aber erst Platz geschaffen werden.

Eine weitere Attraktion im Heimatmuseum ist der gläserne Boden, der einen Einblick in die archäologische Geschichte Duderstadts gibt. Beim Verkauf und Umbau zu Wohnungen, wie bereits vorgeschlagen wurde, hätte irgendjemand ein außergewöhnliches Wohnzimmer, aber der Blick in die Ausgrabungen unter dem Gebäude bliebe in Zukunft für die Öffentlichkeit verborgen.

Kann Duderstadt die in Aussicht stehenden Millionenförderungen ausschlagen, ohne das Risiko einzugehen, bei neuen Förderanträgen nicht mehr ernst genommen zu werden?

„Das Heimatmuseum der Stadt Duderstadt wird insgesamt als wertvoll für die Stadtgeschichte angesehen. Gleichzeitig wird mit Bedauern festgestellt, dass die Einrichtung nicht die Beachtung erfährt, die aufgrund der vorhandenen Exponate und der von hoher Fachkompetenz geprägten Betreuung wünschenswert ist“, heißt es ganz zu Beginn im Beschlussvorschlag. Aufgrund des momentanen Zustands des Gebäudes und der geringen öffentlichen Präsenz dürfte aber sicherlich nicht mangelndes Interesse der Besucher als Erklärung für geringe Frequentierung herangezogen werden.

Tatsächlich haben wir in Duderstadt das Glück, mit Sandra Kästner eine hohe Fachkompetenz für das Heimatmuseum vor Ort zu haben. Das hat die Kunsthistorikerin und Museumspädagogin mehrfach unter Beweis gestellt mit veröffentlichten Forschungsarbeiten und Broschüren, mit Sonderausstellungen, museumspädagogischen Angeboten, als kompetente Kooperationspartnerin in diversen Projekten und mehr.

Insgesamt gesehen dürfte die Prognose der auch zukünftigen „Unwirtschaftlichkeit“ des Heimatmuseums nur aus dem bisherigen Blickwinkel begründet sein, nicht aber, wenn eine Neukonzeptionierung und moderne Öffentlichkeitsarbeit auch ganz andere Chancen bieten sollten.

Die Fragen bleiben also: Sollten wir all diese guten Voraussetzungen, die schon vorhanden sind, opfern? Wurden alle Möglichkeiten abgeklopft? Crowdfunding? Verbesserte Medien-Präsenz für höhere Besucherzahlen und bessere Wahrnehmung? Wer hat gute Ideen zur dauerhaften Finanzierung?

Die ehrenamtlichen Betreuer des Duderstädter Heimatmuseums laden zu einer öffentlichen Versammlung ein, um Austausch zu fördern und ihren Protest gegen die Aufgabe des Heimatmuseums zu äußern.:
Treffpunkt: Dienstag, 23. Februar 2021 von 16 Uhr bis 16.30 Uhr vor dem Heimatmuseum, Bei der Oberkirche 3, Duderstadt

ClanysEichsfeldBlog Duderstadt Heimatmuseum

 

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