Die Duderstädter wunderten sich am 20. April 2021 über unregelmäßiges und häufiges Läuten der Glocken in der Basilika St. Cyriakus. Die Schwingungen der Kirchtürme wurden gemessen – mit und ohne Glockenläuten – , um den in der Silvesternacht 2021 entstandenen Schäden im Nordturm auf den Grund zu gehen.
Propst Thomas Berkefeld hatte beim Silvesterläuten in der Basilika ein krachendes Geräusch bemerkt. Ein Buntglasfenster vor dem Turm im Nordschiff war zu Bruch gegangen, neben den Scherben lag herausgebröckelter Mörtel. Am Neujahrstag wurde dann noch ein Riss entdeckt, der sich durch das Gewölbe des letzten Joches im Seitenschiff zieht und im Gurtbogen zum Hauptschiff endet. Die Orgelempore wurde gesperrt, allerdings gab ein Gutachter zumindest für die Empore Entwarnung. Jedoch war seitdem nicht mehr das volle Geläut zu hören.
Als Bausachverständiger für Baudynamik, Erschütterungen und Schwingungen wurde Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kuhlmann aus Köln bestellt, der gemeinsam mit dem Bauingenieur Roman Klik das Glockengeläut und die Bausubstanz genau untersuchte. Immerhin haben die Türme, deren älteste Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen, einige Epochen mit Kriegen und Katastrophen überstanden, wenn auch nicht immer ganz unbeschadet. Schon 1482 kam es zum Kirchturmbrand, 1626 und 1679 schlug der Blitz ein, und dann stand bei St. Cyriakus lange Zeit nur der Nordturm. Erst nachdem auch dessen Dachstuhl 1852 durch einen weiteren Großbrand in Duderstadt zerstört wurde, erhielt die St.-Cyriakus-Kirche 1863 ihr heutiges äußeres Erscheinungsbild mit den Doppeltürmen. Die letzte große Renovierung des Innenraums mit einem neuen Farb- und Licht-Konzept war 2016. In der Silvesternacht 2021 bröckelte es schließlich, vermutlich wegen der starken Schwingungen im Geläut.
„Ich hätte nicht gedacht, dass diese Geschichte ein solches mediales Interesse weckt“, sagte der überraschte Propst Thomas Berkefeld beim Blick auf mehrere Radio- und Fernsehteams, die alle nach Duderstadt gekommen waren, um über die Vermessung der Kirchturmschwingung zu berichten. Aber die ersten Ergebnisse von Wolfram Kuhlmann ließen dann etwas aufatmen: „Bei der Messung der Turmschwingungen liegen wir etwa an der Grenze des Orientierungswertes von 3 bis 5 mm/s, also noch nicht im ganz kritischen Bereich. Aber wir können erst nach der Auswertung aller Messergebnisse sagen, ob Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Schwingungen zu begrenzen“, erklärte der Spezialist.
Gemessen wurde u. a. die Eigenfrequenz der Turmschwingung, die auch von unregelmäßigen äußeren Einflüssen wie Wind abhängig ist. Dann muss ausgewertet werden, wie sich diese Eigenfrequenz bei größeren Schwingungen durch Glockengeläut erhöht. Dazu wurden auch die Schwingungen beider Türme bei unterschiedlicher Glockenkombination gemessen. Außerdem wird überprüft, ob die Frequenz einer bestimmten Glocke zu ungünstigen Schwingungen im Turm führen könnte.
Es werde ein paar Wochen dauern, bis alle Auswertungen vorliegen, vertröstete Wolfram Kuhlmann. Dann erst könne gesagt werden, welche genauen Maßnahmen effektiv seien. Möglich wären z. B. eine Veränderung der Läutewinkel oder das Anbringen von Gegengewichten auf den Glockenjochen. Auch der Riss am Gewölbe wurde untersucht. „Risse in solchen Bauwerken sind üblich, und da sind bestimmt schon seit Jahrzehnten Risse entstanden, die unterschiedliche Ursachen haben können, z. b. durch Setzung“, erklärte Wolfram Kuhlmann. Propst Thomas Berkefeld wird zumindest das Läuten entsprechend einschränken, bis die genauen Ergebnisse vorliegen.
Mehr Infos zu den Glocken der Basilika St. Cyriakus bei kirche-duderstadt.de
Ein weiterer Artikel zur Geschichte der Eichsfelder Glocken: HIER
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