Die Caritas Südniedersachsen betreibt in Duderstadt die Fachstelle für Sucht und Suchtprävention. Die Vielschichtigkeit der Suchtberatung stellten die Suchttherapeutin Friederike Smilge und der Sozialarbeiter Jens Klie im Rahmen des deutschlandweiten Aktionstages „Kommunal wertvoll!“ einem Publikum aus Politik und Verwaltung vor. Ziel war es, für die Thematik zu sensibilisieren, aber auch politische Unterstützung anzuregen, sowohl finanziell als auch durch eine angepasste Gesetzgebung.
Der Einladung zum Gedankenaustausch waren Sozialdezernent Conrad Finger vom Landkreis Göttingen, Samtgemeindebürgermeister Arne Behre aus Radolfshausen, Annelore von Hof als Vertreterin der Stadt Duderstadt sowie die Landtagsabgeordneten Gerd Hujahn (SPD), Marie Kollenrott (Grüne) und Pippa Schneider (Grüne) gefolgt. In der Diskussion ging es um die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden wie den Jobcentern und Justizvollzugsanstalten sowie Präventionsangebote für Kindergärten, Schulen und Unternehmen. Finanziert wird die Beratungsstelle neben einem Eigenanteil der Caritas Südniedersachsen zu großen Teilen aus Mitteln des Landes Niedersachsen und des Landkreises Göttingen.
Friederike Smilge stellte zunächst die Klischees in den Raum: „Nützt das was? Die sind doch selber Schuld“, heiße es oft, wenn es um Hilfe für diejenigen geht, die stoffgebundene oder verhaltensgebundene Süchte entwickelt haben – also beispielsweise von Drogen oder vom Glücksspiel abhängig geworden sind. „Die Frage nach der Sucht ist aber immer auch eine Frage nach der seelischen Gesundheit. Abhängigkeit ist heute als chronische psychische Erkrankung anerkannt“, erklärte die Therapeutin. Die Ursachen für eine Suchtentwicklung seien vielfältig und reichten von Unsicherheiten und mangelndem Selbstvertrauen bis zu Gewalterfahrung, Flucht und weiteren Traumata. Abhängige seien im ständigen Zweispalt: Das Suchtmittel schafft zunächst Befriedigung, aber schließlich schafft es vor allem neue Probleme, sowohl gesundheitliche als auch soziale und gesellschaftliche.
Wenn der Leidensdruck größer wird als das Bedürfnis der Suchtbefriedigung
Süchtige kommen meistens erst zur Suchtberatung, wenn sie entweder auffällig wurden und vom Arbeitgeber, Institutionen oder im Rahmen des Strafvollzugs zur Beratungsstelle geschickt wurden – oder wenn der eigene Leidensdruck größer geworden ist als das Bedürfnis der Suchtbefriedigung.
Die Fachstelle für Sucht und Suchtprävention verfolgt verschiedene Ziele: Um die Krankheit bestenfalls gar nicht entstehen zu lassen, wird auf Prävention gesetzt. Schon in Kitas soll das Selbstwertgefühl von Kindern gestärkt werden, um weniger empfänglich für Suchtmittel zu sein. In den Schulen werden Präventions- und Beratungsangebote im Unterricht oder in Schulprojekten integriert. Außerdem werden in der Caritas-Fachstelle am Schützenring Betroffene, Angehörige und alle Menschen, die Fragen zum Konsum von Suchtmitteln haben, vertraulich und kostenfrei beraten. Suchtberater*innen unterliegen der Schweigepflicht. Wer bereits abhängig ist, findet hier Unterstützung bei der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten mit dem Ziel, Gesundheit, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und die familiären Beziehungen zu verbessern und zu erhalten.
Die Sucht ist meistens nicht das einzige Problem der Anhängigen
Die Sucht sei meistens nicht das einzige Problem der Abhängigen, erklärte Jens Klie. Es folgten oft auch finanzielle und familiäre Sorgen. So bestehe ein enger Austausch der Suchtberatungsstelle zu verschiedenen Netzwerkpartnern. Dazu gehören andere Beratungsstellen der Caritas Südniedersachsen wie die Schuldnerberatung, die Erziehungsberatung oder das Familienzentrum, aber auch Verwaltungsstellen auf kommunaler- und Kreis-Ebene, Krankenhäuser, Schulen, Job-Center und weitere Institutionen.
Zum Abschluss der Präsentation gingen Friederike Smilge und Jens Klie auf das „Social Return on Investment“, also den gesellschaftlichen Mehrwert der Suchtberatung und Suchprävention, ein. Der wirtschaftliche Schaden allein durch Alkoholmissbrauch liege in Deutschland bei rund 72 Mrd. Euro pro Jahr, die Alkoholsteuereinnahmen dagegen nur bei 3,2 Mrd. Euro. Im Reha-Bericht der Deutschen Rentenversicherung (DRV, 2019) wird festgestellt, dass die durchschnittlichen Kosten einer Reha bei Alkoholabhängikeit rund 4800 Euro betragen. Bei einer weiteren Erwerbstätigkeit des Rehabilitanden seien diese Kosten nach etwa vier Monaten ausgeglichen, ab dem fünften Monat steige der Gewinn für die DRV um rund 1300 Euro im Monat.
1 Euro für die Suchtberatung vermeidet Kosten von 28 Euro für die Gesellschaft
Friederike Smilge und Jens Klie bezogen sich auf eine Studie von Packmohr und Weiß: Ein Euro, der in die Suchtberatung investiert werde, vermeide Kosten in Höhe von 28 Euro für die Gesellschaft. Ihr Appell an die Vertreter aus Politik und Verwaltung: Eine verlässliche Finanzierung der Suchtberatung müsse gewährleistet sein und eine Aufnahme in das Sozialgesetzbuch würde die rentablen Leistungen der Suchtberatung dauerhaft absichern.
Info und Kontakt: https://www.caritas-suedniedersachsen.de/suchtberatung
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