Lesenswert: Eine lebensgeschichtliche Reise am Grünen Band

 

Über 1500 Kilometer ist Heinrich Pingel im Jahr 2018 mit dem E-Bike dem Grünen Band gefolgt. Seine Reise führte ihn nicht nur auf die Spuren der deutschen Geschichte, sondern – kurz vor seinem 70. Geburtstag – auch in seine persönliche Vergangenheit. Seine Tagebuchaufzeichnungen hat der gebürtige Eichsfelder, der heute in Herford lebt, unter dem Titel „Grenzgänger-Tour 2018“ erst als Blog veröffentlicht, und nun auch als Buch („Grenzgänger“, erschienen im Hober Verlag). Herausgekommen ist ein äußerst kurzweiliges, spannendes und oft auch nachdenklich stimmendes Werk.

Im Vorwort fasst Dr. Liana Geidezis vom BUND einige Fakten zum Grünen Band, zu dessen Entstehung und seiner heutigen Bedeutung zusammen. Ein erstes Naturschutztreffen von West- und Ostdeutschen fand schon vier Wochen nach der Grenzöffnung, nämlich am 9. Dezember 1989, in Hof statt. „Gekommen sind statt der erwarteten 20 Naturschützer fast 400 aus der gesamten DDR“, erinnert Geidezis an den Tag, als die erste Resolution zum Grünen Band Deutschland als gesamtdeutsches Naturschutzprojekt aus der Taufe gehoben wurde.

 

Auszug mit Leseprobe aus dem Flyer zum Buch „Grenzgänger“ von Dr. Heinrich Pingel

 

Im Juli 2018 startete Heinrich Pingel seine „lebensgeschichtliche Reise von Ost nach West und zurück“, so der Untertitel des Buches, am Dreiländereck Bayern-Tschechien-Sachsen. Insgesamt sechs Wochen sollte die Tour am Grünen Band dauern: 1500 Kilometer auf dem E-Bike. Der Sommer 2018 war heiß und trocken, und die Route führte durch den Frankenwald und den Thüringer Wald, die Rhön, entlang der Werra, durch das Eichsfeld, durch den Harz und über den Brocken, und schließlich an der Elbe entlang bis zur Ostsee. Einige Streckenabschnitte fuhr der promovierte Historiker in Begleitung eines Freundes oder seiner erwachsenen Kinder.

 

Im heißen Sommer 2018 fuhr Heinrich Pingel auf seiner sechswöchigen E-Bike-Tour am Grünen Band auch durch das Eichsfeld

 

Die Einblicke in die Lebensgeschichte des Autors vor dem Hintergrund der deutschen Teilung und verknüpft mit Erlebnissen entlang des heutigen Grünen Bandes machen dieses Buch zu weit mehr als einem Reisebericht. Heinrich Pingel wurde in Heiligenstadt geboren und in der noch jungen DDR eingeschult. 1956 ist er mit seinem Vater in die BRD geflüchtet, wo er zunächst als Zirkuskind gelebt hat. Später machte er Abitur, studierte, promovierte in Zeitgeschichte, arbeitete als Pädagoge und hat auch als Fernfahrer und Lagerarbeiter einige Erfahrungen gesammelt. Er lebte in der Sowjetunion, in den USA und in Moldawien und hat Deutschland mit dem E-Bike umfahren.

Möglicherweise schult ein so abwechslungsreicher Lebenslauf auch den differenzierten Blick. Diesen Eindruck kann zumindest der Leser gewinnen, wenn der Autor ihn teilhaben lässt an seiner Sichtweise und ihn mitnimmt in seine Gedankenwelt. Der „Grenzgänger“ verharrt nicht in bloßer Reisebeschreibung, sondern stellt auch Fragen. Zum Beispiel, ob die Mauern und Gräben zwischen Ost und West noch – oder wieder – in den Köpfen existieren. Heinrich Pingel erlebt, dass einige Menschen im Osten dem sozialen Zusammenhalt zu DDR-Zeiten nachtrauern. Doch auch vom Zusammenwachsen zwischen Ost und West berichtet er, etwa von Kindern aus dem bayrischen Tettau, die in das thüringische Neustadt auf die weiterführende Schule gehen. Oder von einer Familienfeier mit Gästen aus Thüringen und Niedersachsen im niedersächsischen Bremke.

Der Blick wird manchmal kritisch, zum Beispiel am „Altvaterturm“ bei Lehesten und dem Porträt von Erika Steinbach an dieser „Wallfahrtsstätte der Vertriebenenverbände“. Dort werde, so beschreibt es Heinrich Pingel, der Gräueltaten gedacht, „die an der deutschen Bevölkerung in den Jahren 1945-1947 begangen worden sind. Allerdings kein einziges Wort über die Vorgeschichte und Ursachen der Vertreibung, die Gräueltaten während der deutschen Besatzungszeit, vom Holocaust ganz zu schweigen“.

In seinem Geburtsort Heiligenstadt verweilt der Autor mehrere Tage und unternimmt Ausflüge in die Umgebung. Dabei kommt er seiner eigenen Vergangenheit auf die Spur, Erinnerungen an die Flucht mit seinem Vater über Berlin in die BRD flackern auf. Oder an die Totenmesse für seinen Großvater, dem Förster, der unter mysteriösen Umständen bei einer Treibjagd erschossen wurde.

 

Auch am Grenzlandmuseum machte Heinrich Pingel Station

 

Nach dem Besuch bei Verwandten und ehemaligen Schulkameraden in Heiligenstadt geht es weiter bis nach Duderstadt. Am Grenzlandmuseum zeigt sich der Autor beeindruckt von „unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema Deutsche Teilung, verbunden aber auch mit grundsätzlichen Aspekten wie Demokratiefragen“. Eine weitere Station ist die Heinz-Sielmann-Stiftung auf Gut Herbigshagen.

Abenteuerlich wird die Fahrt über den Brocken, dann aus dem Harz heraus Richtung Norden. Immer wieder verknüpfen sich im Buch verschiedene Epochen der deutschen und europäischen Geschichte, überall kommen die Menschen an der 1500 Kilometer langen Strecke zu Wort, erzählen von ihren Hoffnungen, Sorgen, Freuden und von ihrem Alltag. Der Tagebuch-Charakter des Buches verleiht dem Ganzen eine sehr persönliche Note, lässt Wetter und Anstrengungen der Tour mitfühlen, entschleunigt, erheitert und stimmt nachdenklich. Informativ und lesenswert.

 

Angebote zu Autorenlesungen und Buchdaten (Auszug aus dem Flyer zum Buch „Grenzgänger“)

 

In Duderstadt ist das Buch auch erhältlich in der Geschäftsstelle des Eichsfelder Tageblatts, Marktstraße 9.

 

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