In „My Private Passion“ – so der Titel der Ende September 2021 neu eröffneten Ausstellung in der Kunsthalle HGN – werden ausgewählte Kunstwerke der privaten Sammlung Prof. Hans Georg Näders präsentiert. Zu seinem 60. Geburtstag gibt der Ottobock-Chef, der seit vielen Jahren auch Kunstliebhaber und -kenner ist, Einblicke in seine persönliche „best-of-list“ der zeitgenössichen Kunst, die u.a. seine Sichtweise auf die Welt spiegeln.
„Vieles, was ich vor 20 Jahren gekauft habe, dient mir heute nur noch, um zu verstehen, wie mein Kunstgeschmack sich über die Jahrzehnte verändert hat. Denn der Kunstgeschmack entwickelt sich wie die Designsprache und die Farbwelten mit der Reise durch das Leben“, erklärt Hans Georg Näder in dem Begleitband zur aktuellen Ausstellung „Menschenskinder 3“. Als einen zentralen Teil der Sammlung bezeichnet er die Bücher zu den Künstlern und ihren Werken. Die sind einerseits Teile einer Installation …
… andererseits liegen die Bände zum Stöbern für die Gäste bereit auf kleinen Lesetischchen, bewacht von der „Jägerin“, der bekannten Skulptur von Neo Rauch.
Alina Sophie Schiess ist seit 2020 Leiterin der Kunsthalle HGN. Die Kunsthistorikerin wurde gleich nach ihrem Masterabschluss in München von Hans Georg Näder angeheuert, um die in den Ruhestand scheidende Maria Hauff als Leiterin der Kunsthalle abzulösen. Dann kam Corona, und die ursprünglichen Pläne, eine Ausstellung unter dem Titel „Futuring Heimat“ zu konzipieren, wurden umgewandelt in „My Private Passion“ – ein Blick ins Private aus Anlass des runden Geburtstags des Sammlers und Weltbürgers.
Das Konzept ist äußerst vielfältig, abwechslungsreich und tiefsinnig. Nicht etwa ein Biograf widmet sich in Text und Bild dem Jubilar, sondern viele Wegbegleiter, Freunde, Angehörige, Mitarbeiter, Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Diese Eindrücke haben der Autor Thomas Huber und der Fotograf Christoph Neumann, ebenfalls in Zusammenarbeit mit Sascha Boldt, in dem Buch „Begegnungen“ literarisch und künstlerisch bearbeitet. HGN kommt also nur durch den Blick anderer zum Vorschein. Die Kunstausstellung „My Private Passion“ ist wie eine Erweiterung des Buch-Konzeptes. Der Sammler tritt selbst nicht auf, sondern lässt über seine ausgewählten Werke lediglich etwas von seiner Weltanschauung erahnen.
Mit Fotografien, Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen, u.a. von Helmut Newton, Neo Rauch, Andreas Gursky, Carmen Herrera, Martin Kippenberger und Yayoi Kusama, ist ein „roter Faden“ der Ausstellung ebenfalls über den Sammler selbst zu finden, dessen Lieblingsstücke hier gezeigt werden. Aber es wird auch ein breites Spektrum zeitgenössischer Kunst als ein Spiegelbild des Menschseins im 20. und 21. Jahrhundert abgebildet. Der Kuratorin ist es gelungen, mit warmen Lichtinstallationen, stoffbezogenen Wänden und Räumen, die sich in ihrer Individualität wieder ins große Ganze einfügen, ein harmonisches Gesamtkonzept zu entwickeln, das dem Titel „My Private Passion“ auch gerecht wird.
Wer ein Stück der Weltanschauung des Kunstsammlers in kompakter Zusammenfassung erleben möchte, kann einen Blick auf die Hauswand gegenüber der Kunsthalle werfen. Ein besonderes Werk hat hier während der Corona-Pandemie die Kölner Künstlerin Ann-Kathrin Otto geschaffen: Die Geschichte der Menschheit beginnt mit Adam und Eva und der Vertreibung aus dem Paradies in künstlerischer Anlehnung an Michelangelo. Mit einem Sprung in die Gegenwart hat sich der blühende Garten Eden in eine steinige, tote Landschaft verwandelt. Die Menschheit feiert sich selbst, drückt ihre vermeintliche Überlegenheit – aber auch Gleichgültigkeit – in lässiger Pose aus, und über allem frisst ein Riesenvirus ein Flugzeug und damit unsere Reiselust und das Vertrauen in die technische Lösung für alle Probleme. „HGN hat schon genaue Vorstellungen gehabt, was er in dem Bild haben wollte. Meine Entwürfe haben wir dann zusammen besprochen“, erzählt Ann-Kathrin Otto, die auch schon das Schützen-Monumentalwerk am Rinderstall und weitere Arbeiten für Hans Georg Näder angefertigt hat.
„Für mich bedeutet Kunst Genuss und Rausch“, schreibt Hans Georg Näder im Begleitband, erklärt dazu aber auch gleich: „Genuss wird erst zum Genuss, wenn man ihn teilen kann.“ 2011 baute er am Duderstädter Sulberg seine private Kunsthalle und lässt seitdem in wechselnden Ausstellungen alle Interessierten kostenfrei daran teilhaben.
Ab dem 25. September 2021 ist die Kunsthalle HGN (Karl-Wüstefeld-Weg) samstags und sonntags zwischen 11 und 18 Uhr für Gäste geöffnet. „Zum Konzept gehört auch wieder der direkte Dialog mit Studenten und Studentinnen der Kunstgeschichte“, erklärt Alina Sophie Schiess. So gibt es Hintergrundinformationen und Antworten auf Fragen, individuell auf die Besucher abgestimmt. „My Private Passion“ wird voraussichtlich bis April 2022 zu sehen sein.
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