Das kleine Häuschen mitten im herbstlichen Obstgarten wirkt wie die Kulisse zu einem Märchen. „Heute back ich, morgen brau ich“, rief einst das Rumpelstilzchen, und so ähnlich könnte auch der Leitsatz des Vereins heißen, der in diesem Häuschen aktiv ist. Aus der offenen Tür dringt der Duft von frischem Gebäck. Drinnen wird gearbeitet. Bäcker Eduard Nolte holt die Bleche mit Weihnachtsstollen aus dem Steinofen. Lothar Dinges bestreicht die noch heißen Laibe mit flüssiger Butter. Die ausgekühlten Stollen werden mit Puderzucker dick bestäubt. Der Teig wurde ohne Maschinen geknetet, jeder Stollen ist ein Unikat.
„Hier ist alles noch Handarbeit, und es werden nur natürliche Zutaten verwendet“, sagt Lothar Dinges, Vorsitzender des Vereins zur Förderung naturgemäßer Lebensweise, traditioneller Handwerkstechniken und der historischen Bürgergärten in Duderstadt e.V. Diesen klobigen Namen kann man auch abkürzen: Der „Lehrgarten Duderstadt“ umfasst alle genannten Aspekte und bringt vor allem die Hauptaufgabe des Vereins auf den Punkt: Hier soll etwas vermittelt werden, das mit Garten, also mit dem natürlichen Anbau und der Verarbeitung von Lebensmitteln, zu tun hat.
Das idyllische Fleckchen liegt mitten in Duderstadt, hinter der Stadtmauer an der Rosengasse. Ursprünglich war es der ökologische Lehrgarten der Pestalozzischule. „Die Förderschule sollte eigentlich im Rahmen der Inklusion auslaufen, und so hat auch der Förderverein, der das Gartenprojekt initiiert hat, seine Auflösung bis 2022 beschlossen“, erklärt Lothar Dinges. Um das Lehrgarten-Projekt dennoch weiterführen zu können, ist der „Verein zur Förderung naturgemäßer Lebensweise …“ als Nachfolger des Pestalozzi-Fördervereins im Dezember 2018 entstanden. Ziel ist, vor allem Kindern nahezubringen, wie Lebensmittel durch natürliche Gartenbewirtschaftung angebaut und geerntet werden und was man aus diesen regionalen Produkten herstellen kann. Außerdem hat sich inzwischen bewährt, auch für Senioren verschiedene Aktionen anzubieten. „Viele ältere Menschen kennen diese Art von Gartenbewirtschaftung und Produktverwertung noch. Es fließen also mehrere Aspekte mit ein. Der Garten ist heute ein Mehrgenerationen-Projekt. Die Tätigkeiten wirken sich zum Beispiel auch positiv bei Demenz und Depression aus“, erklärt der Vorsitzende.
Pro Jahr stehen mehr als 20 Veranstaltungen auf dem Programm. Oft kommen Gruppen aus dem Tabalugahaus, von der Heinz-Sielmann-Stiftung oder Schulklassen. Unterstützung gibt es außerdem von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die Projekte werden an die Jahreszeiten angepasst. Der Garten wird bewirtschaftet, aus den Erträgen werden Speisen über dem offenen Feuer gekocht oder im Steinofen gebacken. Die Arbeiten fördern die Gemeinschaft, das Bewusstsein für den Wert und den Ursprung von gesunden Lebensmitteln und den Geschmackssinn. Für Gruppen ist der ökologische Lehrgarten auch für eigene Veranstaltungen zu buchen.
Die urgemütliche Backstube wirkt wie aus dem 19. Jahrhundert – ist aber erst Anfang der 1990er Jahre gebaut worden. Die Baumaterialien wurden zum größten Teil nachhaltig verwendet und waren zuvor schon Teil von älteren Gebäuden. Das Backhaus stammt in seiner Basis aus einem Abriss in Neuendorf. Berufsschüler haben an dem Aufbau mitgewirkt.
Allerdings stehen für das kommende Jahr noch einige Erneuerungen auf der Wunschliste des Vorstands, sagt Kassenwartin Brit Werner: Die Komposttoilette braucht ein neues Dach, der Kunststoff-Pavillon, der im Sommer bei Veranstaltungen genutzt wird, soll durch einen Holz-Pavillon ersetzt werden, die Sitzbänke sollen neu gestrichen werden, eine Himbeerhecke soll gepflanzt werden und ein Kompostsilo wird benötigt. Außerdem soll außerhalb des Backhauses ein Spülhaus entstehen, wo das schmutzige Geschirr gereinigt werden kann. Eine Sumpfbeetkläranlage, ein Gewächshaus und eine Wegebeleuchtung stehen ebenfalls auf der Liste.
Um die Kosten des Vereins zu decken, werden auch verschiedene Aktionen außerhalb der sozialen Projekte angeboten. Zum Beispiel werden Backwaren auf Bestellung hergestellt, die es in dieser Form in keiner Bäckerei zu kaufen gibt wie die handgefertigten Mini-Fladenbrote für eine Hochzeit oder die Weihnachtsstollen aus dem Steinofen.
„Wir wollen dem regionalen Handwerk keine Konkurrenz machen, aber mit besonderen Produkten und Mitmachaktionen unseren Verein bekannter machen und einen Teil der Kosten erwirtschaften“, erklärt Lothar Dinges. Der Verein strebt auch Vergrößerungen an, sucht nach Gartenparzellen in der Nähe, um Kindergärten oder Familien die Möglichkeit zum ökologischen Gartenbau zu schaffen und sie dabei auch zu unterstützen.
Wer sich ehrenamtlich einbringen möchte, findet viele Tätigkeitsfelder: Gartenpflege, Instandhaltung von Werkzeug und Maschinen, Aussaat, Ernte und Verarbeitung, handwerkliche Tätigkeiten bei der Instandhaltung der Gebäude und beim Bau von Sitzgelegenheiten oder auch Vorträge zu bestimmten Garten- Ernährungs- und Naturthemen sind möglich. Außerdem sind als Mitglieder alle willkommen, die einfach die Natur genießen wollen.
Der Lehrgarten hat bereits überregionales Interesse erzeugt. Mehrere Fernsehteams waren dort und haben berichtet – oder beim Zubereiten von regionalen Speisen geholfen und die Arbeit gefilmt, wie die „Landpartie“ mit Moderatorin Heike Götz.
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