Mit Friedrich Reimann hat Duderstadt einen Bauhaus-Künstler, dessen umfangreicher Nachlass ein ganzes Panorama von unterschiedlichen Kunststilen des 20. Jahrhunderts mit heute immer noch aktuellen Themen präsentiert. In der Ausstellung „Grenzenlose Vielfalt“, initiiert von der Sparkassenstiftung Untereichsfeld in der Duderstädter Kulturstube, gibt es Einblicke in Friedrich Reimanns Lebenswerk.
Sehnsucht nach Frieden, die Frage nach dem Ursprung des Seins und das Verhältnis von Mensch und Natur – diese Themen durchziehen Reimanns Werke. Am 11. November 2003, etwa vier Jahre vor seinem Tod, hat der Künstler seine rund 750 Bilder und Skulpturen der Sparkassenstiftung vermacht. „Ihm war es wichtig, dass seine Werke beieinander bleiben und dass sie von Zeit zu Zeit der Öffentlichkeit präsentiert werden“, sagte Uwe Hacke, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duderstadt und damit auch Stiftungsvorstand, in seiner Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung. Diese vereint gleich zwei besondere Gedenkdaten: Vor 111 Jahren, am 22. Februar 1912, wurde Friedrich Reimann in Deuna geboren, vor 15 Jahren, am 3. Januar 2008, starb er in Duderstadt.
„Der Lebensweg eines Künstlers ist immer prägend für seine Werke“, erklärte Anke Ernst, Kunstlehrerin an der Heinz-Sielmann-Realschule, die gemeinsam mit Maren Gebauer von der Sparkasse Duderstadt die Exponate für die Ausstellung ausgewählt hatte. Um Verständnis für die Kunst zu schaffen, gab sie einen Rückblick auf das Leben Friedrich Reimanns: Der Vater, ein Werkmeister für Zigarrenfabriken, starb 1922. Die Mutter verlor in der Inflationszeit das gesamte Ersparte und zog mit ihren fünf Kindern nach Fuhrbach, wo sie etwas Ackerland besaß, das die Familie ernähren konnte. Der künstlerisch begabte Friedrich begann 1931 sein Studium am Bauhaus, das schon 1925 von Weimar nach Dessau gezogen war. „Heute wissen wir, dass das Bauhaus zu den bedeutendsten Kunstschulen Europas gehörte. Durch die Verbindung von Kunst und Handwerk zog die Kunst in den Alltag der Menschen ein“, erläuterte Anke Ernst.
Nachdem 1932 das bisher staatliche Bauhaus in Dessau von der NSDAP geschlossen wurde, versuchte man einen Neuanfang als private Institution in Berlin, die sich aber nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 auflöste. Friedrich Reimann blieb in Berlin und verdiente seinen Lebensunterhalt als Grafiker. 1940 wurde er als Wetterdienstassistent zum Wehrdienst nach Norwegen versetzt, heiratete 1943 in Sachsen und erlebte das Kriegsende 1945 im Oder-Neiße-Raum als Funker. Zu Fuß wanderte er von dort zu seiner Frau nach Berlin.
1950 kehrte er zurück ins Eichsfeld und wurde Kunsterzieher an der Ursulinenschule und am Duderstädter Gymnasium. Einige Besucher der Vernissage erinnerten sich noch an ihren einstigen Kunstlehrer. Heute zählt der Friedensglobus vor dem Duderstädter Stadthaus zu den bedeutenden öffentlichen Werken Friedrich Reimanns.
Ein Mensch ist jedoch mehr als die Eckdaten seiner Vita. Die Bilder, die von Federskizzen bis Kubismus, von Landschaftmalerei in Öl und Aquarell bis zu den Primärformen nach der Lehre Kandinskys, von blumigen Stilleben bis zu surrealistischen Traumwelten reichen, spiegeln ein vielschichtiges Innenleben des Künstlers sowie seine Offenheit für Neues. Trotz Schicksalsschlägen und Kriegserlebnissen – oder vielleicht gerade deswegen – fokussiert sich sein sensibler Blick auf die zeitlosen Werte des Lebens: Die liebevolle Geborgenheit, mit der eine Mutter ihr Kind umhüllt, und die sich thematisch in der „Urzelle, Ursprung des Lebens“ widerspiegelt, zieht sich immer wieder durch verschiedene Stile der Bilder und Skulpturen. Ebenso die Achtung der Natur, die dem Menschen Schutz, Nahrung, aber auch stille Ästhetik und Nähe zum Selbst bietet – oder den Menschen auf Distanz hält. Und schließlich die farbenreichen Kontraste, die alle Facetten der menschlichen Emotionen von Furcht und Trauer bis Freude und Hoffnung zu vereinen scheinen.
Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Stilrichtungen Reimanns soll Thema der Ausstellung in der Kulturstube sein. „Wir könnten in einem halben Jahr wieder eine Ausstellung machen“, sagte Uwe Hacke schmunzelnd mit Blick auf den riesigen Nachlass, der sich durchaus lohnt, gesehen zu werden. Er dankte auch den weiteren Unterstützern wie dem Duderstädter Fachmann für Bilderrahmen Matthias Koch, der an der Gestaltung der Ausstellung beteiligt war, sowie dem Ehepaar Annegret und Rainer Maring als Betreiber der Kulturstube. Musikalisch begleitet wurde der Abend vom Pianisten Markus Kistel, der gerade sein Duales Studium bei der Sparkasse Duderstadt absolviert.
Die Ausstellung in der Kulturstube, Marktstraße 26, ist an den Wochenenden bis einschließlich 12. März 2023 zu folgenden Zeiten geöffnet:
freitags 16 – 18 Uhr, samstags 11 – 14 Uhr, sonntags 14 – 17 Uhr.
Mehr zu Kultur, Kunst und Veranstaltungen in der Region gibt es auf der Website kulturis des Landschaftsverbands Südniedersachsen:
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