Flutkatastrophe: Seniorenheim steht unter Wasser – Betroffene berichten selbst vom Chaos

Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, Rheinlandpfalz, Bayern und Sachsen schockiert viele, und die Spendenbereitschaft ist auch im Eichsfeld riesig. Besonders nahe geht es, wenn Betroffene selbst von der Lage in den Katastrophengebieten berichten. Der Bruder der Duderstädterin und langjährigen Caritas-Mitarbeiterin Lydia Ballhausen, Prof. Dr. Martin Lörsch, ist Domkapitular des Bistums Trier, das auch Träger des ctt-Seniorenheims St. Maria Josef in Bad Neuenahr ist. Er schickte die Nachricht vom Unglück des gefluteten Seniorenheims.

Siegfried Herschel vom Leitungs-Team der Kirchengemeinde „Sankt Johannes-der-Täufer Hilkerode“ hat einen Spendenaufruf initiiert. Auch Beate Sommerfeld, Ortsbürgermeisterin in Fuhrbach, will sich am Aufruf beteiligen. Die Bilder und der Bericht von Bernd Wienczierz, Geschäftsleiter der ctt-Altenhilfe, sprechen für sich:

Bericht vom 19. Juli 2021:
„Wir möchten Sie mit dieser Email gerne über die aktuelle Lage in unserem Seniorenheim St. Maria Josef in Bad Neuenahr – Ahrweiler informieren, das in besonderer Weise vom Unwetter und der Flutkatastrophe getroffen wurde. In der Nacht von Mittwoch, 14. auf 15. Juli 2021 waren die Wassermassen durch Starkregen und Überflutungen so groß, dass innerhalb kürzester Zeit das Erdgeschoß und sogar ein großer Teil des 1. Stockwerks, in dem auch die Bewohnerzimmer liegen, überflutet wurden.

 

Das Seniorenheim in Ahrweiler nach der Flutkatastrophe

 

Neben den beiden Mitarbeiterinnen der Nachtwache waren Gott sei Dank auch noch zwei Mitarbeiterinnen des Spätdienstes im Haus, die nachts mit großer Tatkraft und Mut – trotz rasant steigendem Wasserstand – noch einige Bewohner in den 2. Stock in Sicherheit bringen konnten. Durch die Wassermassen und die nicht mehr zu bewegenden Zimmertüren mussten 6 Bewohnerinnen dort zurückgelassen werden, die aber bei völliger Dunkelheit durch Stromausfall und einem Wasserpegel bis zur Bettkante mit völlig durchnässter Matratze diese lebensbedrohlichen Nachtstunden überlebten.

Das Seniorenheim war durch die Überflutungen völlig von der Außenwelt abgeschnitten und konnte auch am folgenden Tag bis 15 Uhr weder vom Rettungspersonal noch von uns erreicht werden. Die vier Mitarbeiterinnen waren in dieser Zeit mit den 95 Bewohnerinnen und Bewohnern auf sich alleine gestellt. Erst nachmittags gelang es zumindest eine erste Essensversorgung mit einer warmen Suppe durch die Küche aus Kempenich zu organisieren. Rettungskräfte waren auch zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Der Einstieg ins Seniorenheim gelang nur über herangespülte Pkw`s und eine Leiter. Durch das beherzte Engagement einiger Mitarbeiterinnen aus Mendig konnten auch Stromgeneratoren organisiert werden, die eine kleine Notbeleuchtung auf einigen Flurbereichen für die nächste Nacht gewährleistete.

 

Schutt und herangespülte Autos vor dem Seniorenheim

 

Die 4 Mitarbeiterinnen, die mit 95 Bewohnern so großartig die Stellung gehalten hatten, konnten erst zu diesem Zeitpunkt durch andere Mitarbeitende ersetzt werden. Nach dieser zweiten Nacht im Seniorenheim, ohne Wasser, ohne sanitäre Anlagen und ohne Strom wurde von Kempenich das Frühstück organisiert. Gleichzeitig konnte durch beherzte Eigeninitiative von Mitarbeitenden mit Hilfe einer Schreinerei eine Holzrampe gebaut werden, um überhaupt eine Möglichkeit der Evakuierung herstellen zu können.

 

Heimbewohner werden über die Holzrampe evakuiert

 

Da es bis mittags keine verbindliche Hilfestellung durch den Leitungs- und Krisenstab des Kreises Ahrweiler aufgrund der besonderen Ausnahmesituation gab, entschieden wir uns nach dem Mittagessen, das aus Vallendar angeliefert wurde, selbst mit der Evakuierung der Bewohner zu beginnen. Die Mitarbeitenden in den Service- und Kompetenzzentren in Vallendar und Illingen schafften es innerhalb kürzester Zeit, in enger Abstimmung mit den Leitungskräften vor Ort, dass in zahlreichen Nachbareinrichtungen und unseren ctt-Einrichtungen genügend Plätze für unsere Bewohner gefunden werden konnten. Auch Krankenhäuser in Neuwied und Remagen sicherten uns Plätze für die besonders hilfsbedürftigen Bewohner zu.

 

Die Bewohner werden in Nachbareinrichtungen gebracht

 

Nur durch die spontane Hilfe zahlreicher Bürger, das große Engagement unserer Mitarbeitenden in Ahrweiler und an den verschiedenen ctt-Standorten und die unglaubliche Tatkraft der Mitarbeiter der HEUFT Thermo-OEL GmbH aus Bell, die bis in die Nacht die Evakuierung unterstützt hatten, konnte die Evakuierung unter unglaublich schwierigen Umständen gelingen.

Wir sind froh und sehr dankbar, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner diese Unwetterkatastrophe und die anschließende Evakuierung am 16. Juli 2021 unbeschadet überstanden haben. Dass die Evakuierung der 95 Bewohner in solch kurzer Zeit unter den widrigsten Umständen von mittags bis Mitternacht in Eigenregie gelingen konnte, verdanken wir zahlreichen engagierten Helferinnen und Helfern, die uns sehr beeindruckt haben.

 

Engagierte Helfer, zum Teil selbst betroffen von der Flutkatastrophe, konnten die Heimbewohner evakuieren

 

Parallel wurden alle Angehörigen unmittelbar über den Evakuierungsprozess und den Aufenthaltsort der Bewohner telefonisch informiert und auf dem Laufenden gehalten. Seit Samstag, 17. Juli 2021 haben die Aufräumaktionen vor Ort begonnen. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die selbst nicht von der Katastrophe betroffen sind und alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Service- und Kompetenzzentren Altenhilfe arbeiten intensiv an der Wiederherstellung und Funktionstüchtigkeit der Einrichtung.

Stand Sonntag, 18. Juli 2021: Es gibt noch immer keinen Strom und kein Wasser. Die Einrichtung ist nach erster Begutachtung schwer beschädigt. Das Wasser stand bis zum 1. Stock des Gebäudes. Da sich im Erdgeschoss sämtliche Versorgungsräume inklusive Küche befinden, ist nach derzeitigem Kenntnisstand an eine Versorgung nicht zu denken. Alle Möbel und Einrichtungsgegenstände aus der 1. Etage (Wohnbereich Niedertor) mussten gestern bereits entsorgt werden.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Seniorenheims sind auch im privaten Bereich auf schlimmste Weise von der Flutkatastrophe betroffen und leiden sehr unter der derzeitigen Situation. Einige Mitarbeitende haben ihr Haus und ihre Wohnung verloren und haben kein Dach mehr über dem Kopf. Sehr viele haben ihren Pkw verloren, weil die meisten Autos in der Innenstadt überflutet wurden und einen Totalschaden haben. Manche sind gesundheitlich sehr angeschlagen, weil diese schrecklichen Ereignisse und Bilder – auch von toten angespülten Menschen (auch unmittelbar am Seniorenheim) nur schwer zu verarbeiten sind.

 

Rettungssanitäter im Einsatz in Ahrweiler

 

Wir sind gerade dabei, uns einen Überblick über diese menschlichen Tragödien und Schicksalsschläge zu verschaffen und werden auch heute wieder vor Ort in Ahrweiler sein. Da viele von Ihnen in großer Sorge Unterstützung angeboten haben und ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben und unserer Mitarbeitenden und Bewohner in Ahrweiler auf unsere Unterstützung angewiesen sind, möchten wir Ihnen in einem ersten Schritt eine Bankverbindung mitteilen, um Geldspenden sammeln zu können.“

(Text und Fotos: Bernd Wienczierz, Geschäftsleiter der ctt-Altenhilfe mit Sitz in Vallendar)

Spendenkonto:
ctt-Seniorenheim St. Maria-Josef Bad Neuenahr-Ahrweiler
Kreissparkasse Ahrweiler
IBAN DE11 5775 1310 0000 8001 02
BIC MALADE51AHR
Stichwort: Flutkatastrophe Maria Josef

Allgemeine Spenden für die Hochwasseropfer 2021, auch in anderen Regionen, sind außerdem bei der Aktion Deutschland hilft – Bündnis deutscher Hilfsorganisationen möglich.

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