Windkraftanlagen spalten die Gemüter. Eigentlich genießen sie als „saubere“ Energielieferanten eine allgemeine Akzeptanz – allerdings nur, solange sie nicht das eigene Blickfeld stören. Auch im Eichsfeld gibt es zu jeder geplanten oder schon stehenden Windkraftanlage kritische Stimmen aus der Bevölkerung. Durch Bürgerinitiativen und Unterschriftenaktionen soll der Bau der Windräder verhindert – oder besser gesagt: verschoben – werden. Irgendwohin, egal, nur raus aus dem eigenen Fokus.
Die meisten Gründe für den Widerstand klingen plausibel: zu nah am Wohngebiet, zu nah am Naturschutzgebiet, zu nah am Kulturdenkmal, zu nah an Nistplätzen oder mitten im Durchzugsgebiet von Wildvögeln. Windkraftwerke kann man eben nicht einfach in ein Industriegebiet verbannen. Sie stehen mitten in der Natur – dort, wo Wind weht.
Eine Landschaft wird maßgeblich verändert durch die futuristischen Riesen-Rotoren. Ganz ungefährlich sind die auch nicht, für viele Vögel sogar tödlich. Zudem ist es schon öfter vorgekommen, dass Rotorenblätter bei Sturm abgebrochen sind. Und bei Frost schleudern sie auch mal Eisbrocken durch die Gegend. Bei Sonne sorgen sie mit ihrem Schattenwurf für den sogenannten Disko-Effekt, die Rotation macht hörbare Geräusche, und auch der nicht hörbare Infraschall steht im Verdacht, einen negativen Einfluss auf die menschliche Gesundheit zu haben. Kein Wunder also, dass man so etwas nicht in der Nähe haben möchte. Dabei betonen aber alle Bürgerinitiativen, dass man die Nutzung der Windkraft prinzipiell befürworte.
Im Untereichsfeld steht ein Windpark in der Samtgemeinde Gieboldehausen am Höherberg. Weitere Windräder gibt es bei Seeburg, und bei Rhumspringe werden welche geplant. Bei Esplingerode wurden bereits Vorrangflächen für Windenergie ausgewiesen. Vorerst nicht mehr zur Diskussion stehen die Flächen bei Nesselröden und Gerblingerode.
Die jüngste Bürgerinitiative im Obereichsfeld hat sich im Dezember 2019 rund um die Burg Hanstein gebildet. Dort wurde auf hessischem Areal, aber in direkter Nähe zum Dreiländereck (Hessen-Thüringen-Niedersachsen) der Bau einer fast 250 Meter hohe Windkraftanlage beantragt, und später sollen möglicherweise drei weitere folgen. Die Bürgerinitiative setzt sich unter dem Motto „Hanstein bewahren! Keine Windkraftanlagen am Stürzlieder Berg“ dafür ein, das Umfeld des Kulturdenkmals Hanstein und des ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegenden Abschnitts des Grünen Bands nicht nachteilig zu verändern. Eine Petition gegen den geplanten Standort der Anlagen wurde in die Wege geleitet. Man befürchtet auch Einschnitte im Tourismus in der Region. Die Hansteiner Bürgerinitiative betont ebenfalls, kein Gegner von Windkraftanlagen zu sein.
Die Argumente der Bürgerinitiativen sind gut begründet und nachvollziehbar. Dennoch bleibt die Sache mit der Windenergie ein vielschichtiges Thema. Es ist schwierig, überhaupt noch Standorte für die Anlagen zu finden, wo alle Auflagen des Naturschutzes, des Abstands zu Wohngebieten etc. erfüllt werden können – und wo dann auch noch genügend Wind weht. Auf Windkraftnutzung zu verzichten, wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Lösung. Welche Alternativen hätten wir denn, um den hohen Energiebedarf unserer Zivilisation zu decken? Atomkraft? Spätestens nach den Reaktor-Unfällen bei Tschernobyl und Fukushima dürfte die Gefahr dieser Art von Energiegewinnung offensichtlich sein. Und dann bleibt da noch das nicht lösbare Problem mit den radioaktiven Abfällen. Wohin damit? Diese tickenden Zeitbomben werden zwar unter der Erde versteckt, stören also nicht das Auge des Betrachters, aber darauf wohnen möchte auch niemand.
Kohlekraft? Der Raubbau an den Ressourcen der Erde hat Grenzen. Und die wurden längst überschritten. Kohlebau zerstört die Biotope ganzer Landstriche und lässt den Grundwasserspiegel sinken. Dazu kommen dann noch extrem hohe CO2-Emissionen. Außerdem wäre die weitere Nutzung der Kohlkraft nur ein aufgeschobenes Problem, denn irgendwann sind die Vorräte erschöpft.
Der einzige heute noch akzeptable Weg der Energiegewinnung sollte ökologisch, nachhaltig und ungefährlich sein. Und da muss wohl noch einiges getan werden. Manche zukunftsweisenden Ideen sind aus verschiedenen Gründen noch nicht ausgereift oder wurden bisher nicht umgesetzt. Es gibt zahlreiche versiegelte Flächen in Industrie- und Gewerbegebieten oder entlang der Autobahnen, die noch nicht genutzt werden für eine bessere ökologische Bilanz. Da wäre massenhaft Platz für Photovoltaik – oder auch für Grünflächen und Biotope auf Dächern und Parkhäusern.
Vielleicht würde es helfen, die Windkraft-Diskussion entspannter zu führen, wenn wir die Windräder als Zwischenlösung betrachten könnten, um die Klimaziele zu erreichen. Ziel sollte dann auch sein, solche Monstren in der Landschaft zeitnah durch bessere Alternativen zu ersetzen. Und genau dafür sind auch die Bürgerinitiativen sinnvoll: Unbequem werden und einmischen, damit die Gewinnung von „sauberem Strom“ zügig weiterentwickelt wird und akzeptable Lösungen gefunden werden.
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