Keine Einnahmen in der Corona-Krise – „Circus Salino“ braucht Hilfe. Und Verständnis.

„Circus Salino“ sitzt in Duderstadt fest und kommt nicht weiter. Wegen der Corona-Krise können keine Vorführungen stattfinden, und die sind die einzige Einnahmequelle des kleinen Familien-Unternehmens. Über Social Media haben die Zirkusleute um Spenden gebeten, damit auch die Tiere versorgt werden können.

„Wir wissen, dass es nicht nur für uns eine schwierige Situation ist. Viele kleine Unternehmen kämpfen gerade um ihre Existenz“, sagt Zirkusfrau Josie Köllner. Mit Zirkusdirektor Frantisek Urban und weiteren Familienmitgliedern gehören acht Personen und 32 Tiere – Pferde, Ponys, Ziegen, Kamele, Dromedare und Hunde – zum „Circus Salino“. Doch wegen der Corona-Krise ist nicht nur der Zirkus auf Spenden angewiesen, auch Gastronomen, Einzelhändler, Kultureinrichtungen, Musiker, Schriftsteller und viele andere bitten im Internet um Unterstützung, weil quasi über Nacht sämtliche Einnahmequellen versiegt sind. Es sitzen also alle im selben Boot. Daher ist es momentan zwar einerseits schwieriger, Spenden zu bekommen, wenn auch die anderen nicht wissen, wie es weitergeht. Andererseits ist vielerorts das Verständnis für die Not des anderen größer geworden.

„Wir sind sehr dankbar, dass wir hier in Duderstadt so freundliche Unterstützung bekommen“, sagt Josie Köllner. Bürgermeister Thorsten Feike bestätigt ein sehr gutes Einvernehmen mit dem „Circus Salino“. Frantisek Urban und sein Sohn Dustin hatten den Bürgermeister aufgesucht, um über die Situation zu sprechen. „Natürlich helfen wir Menschen in der Not“, sagt Thorsten Feike. Für die Grundversorgung mit Strom, Wasser sowie die Abfuhr von Mist etc. wurden gemeinsame Lösungen gefunden. Der Zirkus darf vorerst bis Ostern auf den Talwiesen bleiben. Dann muss man weitersehen, wie sich die Lage entwickelt. 

Das Coronavirus lässt sich durch keine Grenzen, Berge, Ozeane aufhalten, schon gar nicht in unserer bewegten Zeit. Urlauber, Weltenbummler, Spitzensportler, internationale Job-Pendler vom Manager bis zum Erntehelfer, Fluglinien, Kreuzfahrtschiffe und so weiter sind in der ganzen Welt unterwegs. Das Virus hat sich längst überall ausgebreitet und kann jeden jederzeit erwischen, beim Einkaufen, beim Arztbesuch, in der Altenpflege etc.

Den Zirkusleuten ist in den Social-Media-Kanälen vorgeworfen worden, unterwegs gewesen zu sein. Von Ort zu Ort zu reisen und Vorstellungen zu geben ist aber die Existenzgrundlage von Zirkussen. Andere Menschen sind auch gereist, aus reinem Vergnügen: Skifahrer waren in Österreich, Sonnenanbeter auf den Kanaren, in Rom oder sonstwo. Als es hieß, die Grenzen werden dicht gemacht, haben viele ihren Urlaub abgebrochen und sind auch zurück ins Eichsfeld gefahren. Wollen wir jetzt allen, die in den letzten Wochen irgendwo unterwegs waren, einen Vorwurf daraus zu machen oder ihnen gar die Schuld an der Krise geben? Vielleicht hat mancher Daheimgebliebene viel mehr zur Verbreitung der Viren beigetragen, weil die Hände nachlässig gewaschen wurden, als ein Weltreisender. Wir wissen es nicht. Statt spekulative Verdächtigungen zu äußern, wäre es eher wünschenswert, einander zu helfen, denn jeder könnte morgen vielleicht selbst Hilfe brauchen.

 

Josie Köllner präsentiert den Gabentisch, an dem Spenden und Tierfutter abgelegt werden können

 

Die Zirkusleute geben sich wie alle anderen verantwortungsbewussten Menschen größte Mühe, die persönlichen Kontakte so gering wie möglich zu halten. Wer Spenden vorbeibringen möchte, kann die einfach dort ablegen. Ein Tisch wurde aufgebaut, wo sich die Zirkusleute auf einem handgeschriebenen Plakat bedanken. Und da nicht jeder Eichsfelder Kraftfutter für Kamele zu Hause hat, kann auch Geld in einer Sammelbüchse gespendet werden.

Und noch ein Thema bewegt einige Menschen in den Social-Media-Kanälen: Ist Tierhaltung im Zirkus artgerecht? Dazu möchte ich meinen persönlichen Eindruck schildern. Die Familien im „Circus Salino“ scheinen sehr verantwortungsvoll mit ihren vierbeinigen „Mitarbeitern“ umzugehen. Ich bin selbst seit meiner Kindheit Tierhalter und glaube, ungefähr beurteilen zu können, wie ein körperlich und psychisch gesundes Tier aussehen sollte. Bei „Circus Salino“ sah ich nur gut genährte Tiere, die rund um den Schützenplatz grasten oder im geräumigen Stallzelt versorgt wurden. Die Kamele hatten mich bei meinem Besuch auf den Talwiesen zuerst bemerkt und kamen mir neugierig und freundlich entgegen. Hunde spielten miteinander. „Wir sind froh, dass hier so viel Platz für die Tiere ist, wenn wir jetzt eine längere Pause machen müssen“, sagte Josie Köllner. Kaum andere Tierhalter werden in Deutschland so sorgfältig von den Veterinärämtern überprüft wie Zirkusse. Außerdem haben die Tiere im Zirkus alle einen Job. Ihnen Kunststücke beizubringen, erfordert viel Zeit und Fachkenntnis. Es liegt also auch im Interesse der Zirkusleute, die Tiere möglichst lange gesund zu halten.

In all den Jahren als Tierhalter (Pferde vor allem, aber auch andere) weiß ich, dass uns die meisten Säugetiere in mancherlei Hinsicht ähnlicher sind, als wir vielleicht wahrhaben wollen. Auch Tiere brauchen Anerkennung, Wahrnehmung und Aufgaben, an denen sie wachsen können. Und die können für jeden Charakter individuell sein. Nicht jeder Mensch muss Akrobat oder Mathegenie sein. Nicht jeder Vierbeiner muss sich auf Kommando auf die Hinterbeine stellen können. Aber manche haben Spaß daran und sind für bestimmte Aufgaben sehr begabt.

 

Auch Pferde auf der Weide brauchen Wahrnehmung und Abwechslung.

 

Ich habe schon einige Pferde gesehen, die einfach nur aus Prestigegründen auf einer Wiese abgestellt werden, aber sich niemand mit ihnen beschäftigt. Die Besitzer reden sich oft noch ein, das sei doch alles naturnah – so wie bei den Wildpferden. Falsch. Ein Wildpferd muss den ganzen Tag Aufgaben meistern, um zu überleben. Es leidet bestimmt nicht an lähmender Langeweile wie ein abgestelltes Freizeitpferd. Ich sehe auch viele Pferde, die den ganzen Tag in der Box oder auf einem 3 x 3 Meter Auslauf stehen, bis der Besitzer mal Zeit hat, um ein paar Runden durch die Reithalle zu hechten. Ich habe Hunde gesehen, die den ganzen Tag in einem kleinen Raum eingesperrt sind und warten, dass ihre Besitzer abends von der Arbeit kommen. Allen diesen Haustieren wurden ihre „Aufgaben“ genommen, an denen sie wachsen konnten, und die sie seit Jahrtausenden mit dem Menschen verbinden. Langeweile kann zur Tierquälerei werden, auch wenn sie schleichender ist als offensichtliche Misshandlung.

 

Hunde, die den ganzen Tag warten, dass ihre Besitzer von der Arbeit kommen, sind gelangweilt und unterfordert (Foto Pixabay)

 

Ich habe auch Pferde und Hunde, sogar Ziegen und Schweine, gesehen, die von erfahrenen Haltern oder Trainern Kunststückchen oder Dressurlektionen gelernt haben. Oder „Arbeitspferde“, die im Wald Holzstämme rücken. Diese Tiere haben ihre Aufgaben, und wenn sie darin einfühlsam und fachgerecht – selbstverständlich ohne Schmerzen, dafür mit Lob und Dankbarkeit – ausgebildet wurden, sieht ihnen sogar jeder Laie den Stolz an, den sie bei ihrer Arbeit ausstrahlen. Sie wissen genau, was sie gut gemacht haben und zeigen das auch gern. Und sie haben noch etwas anderes: die intensive und positive Wahrnehmung ihrer Besitzer. Wir alle wissen, dass Menschen seelisch verkümmern, wenn sie nicht mehr wahrgenommen werden. Tiere auch.

Leider gibt es sowohl unter den privaten Haustierhaltern als auch bei professionellen Tiertrainern einige, die sich lieber mit etwas anderem beschäftigen sollten. Ich bin nicht der Meinung, dass man Raub- und Wildtieren in Zirkussen ein artgerechtes Leben bieten kann. Man kann sie nicht eben mal im Wald jagen lassen, wenn der Zirkus pausiert. Man kann sie nur in Käfigen einsperren. Ich befürworte auch nicht, einem zweijährigen Pferd den Sattel aufzulegen, um es dann über die Rennbahn zu scheuchen. Und dann gibt es noch all die Genies, die der Meinung sind, dass einzig und allein ihre eigene Trainingsmethode die tierfreundlichste ist (und die funktioniert nur mit Produkt xy für einen dreistelligen Betrag). Es bleibt also ein schwieriges Thema, das immer wieder die Gemüter bewegen wird.

Ich würde mir jedoch wünschen, dass über Tierdressur und die Zusammenarbeit von Menschen und Tieren nicht so pauschalisierend geurteilt wird. Wer mitreden will, sollte sich ein eigenes Bild machen – und das stimmt dann vielleicht nicht mehr mit den Kampagnen vermeintlicher Tierschützer bei Social Media überein.

„Circus Salino“ arbeitet ausschließlich mit Haus- und Nutztierarten, die seit Jahrtausenden in der direkten Nähe zum Menschen leben. Die Tiere sehen gut gepflegt und ernährt aus und machen einen aufgeschlossenen, zutraulichen Eindruck. Bis Ostern ist es noch etwas hin. Die Tiere brauchen also nicht nur heute Futter. Vielleicht hat ja jemand noch etwas übrig: Kraftfutter, Hundefutter, Heu, Stroh wird benötigt. Altes (nicht schimmeliges) Brot fressen auch die Ziegen.

 

 

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