„Sind Heimatvereine noch zeitgemäß?“ Um diese Frage ging es unter anderem beim Festakt des Heimatvereins Goldene Mark (Untereichsfeld) e.V., dessen 75-jähriges Bestehen mit Freunden, Mitgliedern, Unterstützern und Sponsoren im Duderstädter Rathaus gefeiert wurde. Die Antwort auf diese Frage fiel übrigens positiv aus und konnte sogar vielfach begründet werden.
Als Hausherr begrüßte Bürgermeister Thorsten Feike die zahlreichen Gäste – mehr als 130 waren gekommen, sodass sogar noch ein paar Stühle nachträglich aufgestellt werden mussten. Zudem lobte er den wichtigen Beitrag des Heimatvereins zur Bewahrung der Identität des Eichsfeldes und dankte dem Vorstand und den Engagierten für ihre ehrenamtliche Arbeit.
Der erste Vorsitzende Gerold Wucherpfennig leitete seine Grußworte mit einem Trailer über den Landschaftsraum Eichsfeld ein und erläuterte vor dem Hintergrund der medialen Präsentation die außergewöhnliche Beständigkeit des Vereins: Alle Jubiläumsfeiern seit der Gründung 1950 wurden bisher im Duderstädter Rathaus begangen. Und erstaunlicherweise gab es in diesen 75 Jahren Vereinsgeschichte bisher nur drei Vorsitzende, nämlich Bernhard Otto (Amtszeit von 1950 – 1981), Helmut Bömeke (Amtszeit von 1981 bis 2012) und den seit 2012 amtierenden Gerold Wucherpfennig. Dieser dankte auch den Sponsoren für die langjährige Unterstützung, insbesondere durch die VR Bank Mitte eG und die Sparkasse Duderstadt.
„Je größer das Wissen über die Heimat, desto größer sind Identifikation, Zufriedenheit, Sesshaftigkeit, bzw. das Rückkehrpotenzial nach Ausbildung und Studium. Unsere Ziele sind auch heimatkundliche Bildungsangebote“, fasste der Vorsitzende die Aufgaben des Vereins zusammen. Diese werden auf vielfältige Weise erfüllt: Herausgabe und Veröffentlichung von Forschungsarbeiten und Publikationen in Büchern, Zeitschriften und digital, Angebote von Exkursionen, Austausch und Verknüpfung in Netzwerken.
An die Vereinsgeschichte von den Anfängen 1950 bis 2000 erinnerte Dr. Gudrun Pischke, Historikerin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Südniedersächsische Heimatforschung e.V., in ihrem Vortrag und erörterte dabei auch die Entstehung des Begriffs „Goldene Mark“, der ab dem 14. Jahrhundert bis heute die fruchtbare Region rund um Duderstadt bis zum Seeburger See bezeichnet.
Den Part der neueren Vereinsgeschichte von 2000 bis 2025 übernahm der Duderstädter Bürgermeister a.D. Wolfgang Nolte. Dabei dankte er auch dem Vorstand für das Engagement und insbesondere dem Verleger und Ehrenmitglied Helmut Mecke für die zahlreichen heimatkundlichen Publikationen in den vergangenen Jahrzehnten, die dazu beitragen, Wissen über die Region zu bewahren.
Schließlich kam es im Festvortrag von Prof. Dr. Jörg Lahner, Präsidiumsmitglied des Niedersächsischen Heimatbundes, zu der spannenden Frage, ob Heimatvereine heute noch zeitgemäß seien. Gleich zu Beginn verriet er schon die Antwort: Ja! Damit stellte sich allerdings die nächste Frage nach dem Warum.
Jörg Lahner beleuchtete die Definition für Heimat einerseits als eine emotionale, soziale und/oder kulturelle Verbundenheit mit einem Ort oder einer Region und dessen positive Effekte auf die eigene Persönlichkeit sowie auf die Gesellschaft. Denn die Weitergabe von Traditionen und regionalem Wissen fördere den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Andererseits stellte er auch die ökonomischen Effekte dar, die sich über lokal orientiertes Engagement positiv auf eine Region auswirkten – sei es im Tourismusbereich oder beim Erhalt lokaler Umweltressourcen. „Dieses Engagement hat auch Auswirkungen auf nachhaltige Entwicklung“, erklärte er.
Und genau diese Aufgaben könnten auch heutzutage die Heimatvereine erfüllen – wenn sie denn bereit seien, sich den modernen Kommunikationsformen anzupassen. Hier gab es auch Lob für den Gastgeber, denn im Rahmen der Jubiläumsfeier stellte der Heimatverein Goldene Mark seine neue Webseite vor (und verfügte schon seit Mitte der 1990-er Jahre über eine eigene Webseite), vor den Veranstaltungen wird ein Newsletter an Interessierte verschickt, das Logo wurde vor vier Jahren erneuert, und um neue Mitglieder wird erfolgreich in persönlicher Ansprache geworben.
Bei den erforderlichen zeitgemäßen Ansätzen von Heimatvereinen betonte Jörg Lahner auch die Wahrnehmung der Bedürfnisse von Zugezogenen, Familien und jungen Menschen, denn so könnten die Vereine ihre Rolle als integrative Orte der Gemeinschaft stärken. Das Öffnen für neue kulturelle Ausdrucksformen und Menschen unterschiedlicher Herkunft sei ebenso wichtig wie der Einsatz für das kulturelle und natürliche Erbe vor Ort und in der Region, so Lahner, der hierbei Dr. Hansjörg Küster (bis zu dessen Tod 2024 Präsident des Niedersächsischen Heimatbundes) zitierte. Zu den Aufgaben der heutigen Heimat- und Bürgervereine gehöre (nach Küster) auch eine Unterstützung der Menschen, sich ihrer alten und neuen Heimat mental zu ermächtigen. Das sei möglich durch Vermittlungs- und Bildungsangebote mit dem Ziel, Kenntnisse über die Region zu erweitern und somit Identifikation und Engagement für das eigene Lebensumfeld zu fördern.
Dazu zitierte Jörg Lahner auch Paloma Klages (Kreisheimatpflegerin aus dem Landkreis Hildesheim): „Heimatpflegerinnen und Heimatpfleger halten nicht starr und einfarbig an der Vergangenheit fest, sondern sind bereit zu erklären, warum wann was mit welchen Auswirkungen geschehen ist. Sie verbinden die Vergangenheit eines Ortes, einer Region mit der Gegenwart und schaffen ein Bewusstsein dafür. Warum? – Damit zukunftsfähig für die folgenden Generationen gehandelt werden kann.“
Heimatvereine mit neuen Strukturen
Jörg Lahner fasste in seinem Fazit zusammen: „Heimatvereine sind dann zeitgemäß, wenn sie sich aktiv weiterentwickeln, offen für neue Ideen und Mitglieder sind und ihre Strukturen an die Lebensrealitäten der Menschen anpassen. Sie werden auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen, wenn sie Tradition und Moderne verbinden und als lebendige Orte der Gemeinschaft und Integration auftreten.“ Auf diesem Weg, so war man sich einig, befindet sich der Heimatverein Goldene Mark (Untereichsfeld) e.V., der seine 75-jährige Beständigkeit auch durch seine Anpassungsfähigkeit an moderne Ansprüche und neue Lebensrealitäten bewahren konnte.
Den eindrucksvollen musikalischen Rahmen der Jubiläumsfeier bot die Big Band des Eichsfeld Gymnasiums Duderstadt (EGD) unter der Leitung von Hartmut Depenbrock und mit der Gesangs-Solistin Leni Rodenstock. Aber dass die komplexe Bedeutung von Heimatkunde auch Interesse bei der jungen Generation wecken kann, zeigte der Vortrag von Jörg Lahner, den auch die Musikerinnen und Musiker in den Spielpausen aufmerksam verfolgten.
Nach dem offiziellen Teil des Programms gab es noch Zeit für Gespräche bei einem kleinen Imbiss und Getränken, ebenfalls musikalisch von der EGD-Big-Band begleitet. Im Hintergrund lief dazu eine Diashow mit historischen und aktuellen Fotografien aus dem Eichsfeld, und auch die neue Webseite des Heimatvereins wurde dabei präsentiert. Das große Interesse an der Veranstaltung, den Vorträgen und der digitalen Präsentation bestätigte ebenfalls, dass heimatkundliche Arbeit auf jeden Fall noch zeitgemäß ist.
Alle weiteren Veranstaltungstermine des Heimatvereins Goldene Mark (Untereichsfeld) e.V. sind auf der neuen Webseite unter heimat-goldene-mark.de zu finden.
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