20 Jahre Undine: Verlagsgründerin Astrid Seehaus im Interview über das One-Woman-Unternehmen

Vor 20 Jahren hat die Autorin Astrid Seehaus im thüringischen Wehnde den Undine Verlag gegründet, um ihre Kinderbücher herauszugeben. Dabei blieb es natürlich nicht. Im One-Woman-Unternehmen wurden auch Krimis, Anthologien, viele Werke mit regionalem Bezug zum Eichsfeld, Kalender, Broschüren und ein kleines Literaturmagazin veröffentlicht.

Wenn Astrid Seehaus nicht gerade ein neues Buch schreibt, setzt sie sich u.a. für Nachwuchs-Schreibtalente ein, unterstützt regionale Autor*innen, initiiert und fördert verschiedene Umweltprojekte oder gibt öffentliche Lesungen. Vor allem die Kinderbuchlesungen versprechen dabei eher ein One-Woman-Theater als bloßes Vorlesen. Für ihren Krimi „Tod im Eichsfeld“ wurde sie 2012 mit dem Thüringer Krimipreis ausgezeichnet.

 

Zu Kinderbuchlesungen kommt Astrid Seehaus in entsprechender Garderobe und mit Requisiten (Foto: Seehaus)

 

Einblicke in das Verlagsleben, aber auch in persönliche Wünsche und Hoffnungen, gibt Astrid Seehaus in einem Interview mit Clanys Eichsfeld-Blog.

Der Undine Verlag mit Standort im eichsfeldischen Wehnde feiert sein 20-jähriges Jubiläum. Wie kamst Du damals als Biologin darauf, einen Verlag zu gründen?

Das Schreiben ist so etwas wie ein Sehnsuchtsort. Ich habe ihn bereits als Jugendliche gesucht und gefunden. Die Fantasie bietet mir Abenteuer, Reisen in andere Welten, kann mich zum Träumen bringen oder auch zum Weinen (bei traurigen Passagen eines Romans) oder bedeutet eine Möglichkeit des Erkennens und Verstehens. Durch das Schreiben schärft sich mein Blick auf die Welt.

Du hattest mit Kinderbüchern angefangen. Im Laufe der Jahre sind aber noch ganz viele andere Veröffentlichungen dazugekommen, Krimis, Anthologien etc.. Wo steht der Undine Verlag heute? Was sind seine Schwerpunkte?

Zurzeit sitze ich am 140. Buch. Mein Programm geht vom Bilderbuch für die ganz Kleinen über Krimi und Frauenromanen bis hin zur anspruchsvollen Graphic Novel. Schwerpunkt ist und bleibt dabei das Bilderbuch in allen möglichen Formen (Softcover, Hardcover, Pappe).

Ist es schwer, in Zeiten der Digitalisierung, aber auch neben der Konkurrenz der großen Verlagskonzerne bestehen zu bleiben?

Ich finde, die Digitalisierung hat mir Möglichkeiten eröffnet, die ich sonst nicht hätte. Ich bin weitestgehend unabhängig, da ich einen Online-Shop habe.
Allgemein zur Digitalisierung lässt sich sagen, dass für die kleinen Verlage, die kein Budget für aufwendige gedruckte Werbung haben, Anzeigen in den Zeitschriften oder eigene Werbeblätter, die Möglichkeiten im Internet schier unerschöpflich sind und wenig oder nichts kosten. Während für eine streichholzschachtelgroße Anzeige, die nur einmal erscheint, 300 bis 600 Euro – nach ob hin offen – verlangt wird, kann man die Bewerbung der Bücher im Netz kostenlos unendlich wiederholen. Und wir wissen ja, dass sich das Produkt erst durch vielfache und immer wiederkehrende Werbung einprägt.
Ein Faktor ist bei dieser Art der Werbung begrenzt: die Zeit. Um aktuell bei Instagram, Facebook, Youtube zu bleiben, muss jeden Tag, manchmal sogar mehrmals am Tag etwas Neues geliefert werden. Die Fangemeinde ist „hungrig“. Also behilft man sich, indem man Influencer, Booktuber (auf Youtube) und BookTokker (auf TikTok) bemüht und sie in die Werbekapagnen einbindet. Das wiederum bedeutet, sich jeden Tag mit den sozialen Medien auseinanderzusetzen, Bücher zu verschicken, zu prüfen, ob das Buch auch vorgestellt wurde, um dann wiederum festzustellen, dass Bücher, die besprochen werden sollten, gar nicht vorgestellt werden oder nicht in der Art vorgestellt wurden, wie es das Buch verdient hätte. Die freiwilligen Buchrezensenten im Netz sind Laien. Sie können duchaus sehr bekannt sein, aber sie haben oft nicht die Erfahrung und/oder das Können oder den Willen, ein Buch sachlich, objektiv und meinungsfrei zu besprechen. Da wird manchmal übermäßig für ein bestimmtes Buch geschwärmt, ohne sachliche Auseinandersetzung, was wiederum bedeutet: Sie „packen“ ihre Follower mit sehr viel Gefühl und bringen sie zum Lesen dieses Buches. Das ist wunderbar, aber eben auch zweischneidig. Man könnte es mit Glück oder Pech gleichsetzen. Glück für denjenigen, wenn das Buch eine gute Performance bekommt.
Die großen Verlage haben wiederum den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Reichweite viele Influencer mit Büchern beschenken können oder Personal haben, das sich um die sozialen Medien kümmert und diese stündlich pflegt. Auf Instagram und Co. aktuell zu bleiben, bedeutet rund um die Uhr wach zu sein und Bilder, Videoclips oder Texte einzustellen. Wohin diese Konkurrenz führt, ist naheliegend: Einfallsreichtum. Kleine Verlage überraschen immer wieder mit tollen Einfällen, die im Netz ihre Follower finden, denn es ist nun einmal so: Konkurrenz belebt das Geschäft und die davon am meisten profitieren, sind die Leser*innen.

Neben der Literatur engagierst Du Dich auch für die Umwelt, hast 2020 sogar den Umweltpreis der Stadt Bad Bevensen erhalten. Auch in Deinen Büchern tauchen immer wieder Klima- und Umweltthemen auf. Erhältst Du dazu ein Feedback Deiner Leser*innen? Ist es effektiv und nachhaltig, Menschen über Literatur für diese Themen zu sensibilisieren?

Man kann mit den Themen der Nachhaltigkeit nicht früh genug anfangen. Ich beweifle aber, dass ein Buch allein etwas bewirken kann, wenn nicht auch die Eltern oder die Schulen positive Vorbilder darstellen. Im Grunde genommen sind wir alle gefordert, positive Vorbilder zu sein. Das Fernsehen sollte diesbezüglich mehr Verantwortung übernehmen. Ich bin der Meinung, es zeigt zu viel Gewalt und viel zu viel verführerische Werbung.
Was meine Bilderbücher letztendlich tun: Sie bilden vor allem die Gesellschaft ab und befassen sich mit aktuellen Fragen. Wir dürfen Kinder jedoch nicht überfordern oder ihnen Angst machen. Verlage müssen darin verantwortlich handeln.
Feedback erhalte ich durch Bilder, die ich gemailt bekomme, oder dass mir durch die Eltern mitgeteilt wird, wie oft das Buch vorgelesen werden muss.

 

Zu ihrem Bilderbuch „Die Flucht“ – Vorlage war die Flucht ihrer Mutter Edith Seehaus (†) 1953 aus der DDR – gibt Astrid Seehaus (2.v.r.) der MDR-Journalistin Romy Gerke ein Interview

 

Wie wünschst Du Dir die Zukunft für den Undine Verlag? Hast Du neue Pläne geschmiedet?

Es wäre schön, wenn jede Buchhandlung im Eichsfeld die Bücher der Eichsfelder Autorengemeinschaft standardmäßig im Regal stehen hat. Unsere Bücher sind beste Werbung für die Region.
Meine Pläne sind unterschiedlich. Ich lerne gerade verschiedene Animationstechniken für die Erstellung eines eigenen Zeichentrickfilms. Und dass ich Zeit finde, um das nächste Projekt, das sich mit der Meinungsfreiheit der Frauen im Iran beschäftigt, künstlerisch umzusetzen. Es soll eine Stoff-Collage werden.

*

Neuerscheinung: In Zusammenarbeit mit der ukrainischen Künstlerin Iva Boybee ist das Bilderbuch „Teddy, wo bist du?“ entstanden. Die Geschichte von einem im Ukrainekrieg verlorenen Teddy handelt von Verlust, Freundschaft und Hoffnung. Im Handel gibt es auch eine ukrainische Fassung.

 

© Undine Verlag

 

Infos zum Undine Verlag bei undine-verlag.de.

 

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